»Hier ist Roland! Roland – der Kaiser!« Wer die Jahrzehnte der Hecksch’en Hitparade, das Stahlbad des deutschen Schlagers, mit Grandezza überstanden hat, der schafft es auch, bei Florian Silbereisens »Schlagerbooom« in der Dortmunder Westfalenhalle, diesem Mayday des Discofox‘, seine Würde zu behalten. Unterhaltungsmusik ist dann eben doch mehr, als alte Erfolge mit Bumsbeats als Partyhitmix zu unterlegen.
Roland Kaisers Werk reicht bis in die späten 70er Jahre zurück. Es begann mit dem ersten, fast unfreiwilligen Erfolg »Sieben Fässer Wein«; ein Saufschlager, den eigentlich Rex Gildo hätte schmettern sollen. Nach dem Hit »Santa Maria« ging es dann Schlag auf Schlag: »Lieb mich ein letztes Mal«, »Dich zu lieben«, »Manchmal möchte ich schon mit dir«, »Joana«, »Ich glaub es geht schon wieder los« oder »Alles, was du willst«. Aneinander gereiht ergibt das heute ein lässiges, fast viertelstündiges Medley an Hits; ziemlich abgeklärt dargeboten von Kaiser und seiner Liveband.
Auch modisch ist Roland Kaiser stets vorn dabei – statt sich wie seine Kollegen verzweifelt in zu enge Slimfit-Sakkos zu zwängen, steht er stets in gutsitzenden Anzügen mit Weste, Einstecktuch und Manschetten auf der Bühne. Von seiner Kollegin Maite Kelly weiß man, dass er die Hemden mit Manschetten sogar im Frühstücksraum des Hotels trägt, während um ihn herum morgendliche Schluffigkeit zelebriert wird. Und als der Sender arte vor einigen Jahren Kaiser und Götz Alsmann gemeinsam »durch die Nacht« von Münster schickte, lobten sich beiden erst mal gegenseitig für ihre Anzüge.
Astreines Discofox-Brett mit Ironie
Stil gepaart mit anzüglich-frivolen Liedern über anberaumten Geschlechtsverkehr, das ist das Erfolgsrezept des Wahl-Münsteraners. Er hat es aber auch darauf angelegt – für das Lied »Santa Maria« hatte Kaiser zuerst einen drögen Text über Kolumbus und die Entdeckung Amerikas verfasst, der der Plattenfirma aber nicht zusagte. Daraufhin schrieb Kaiser mit dem Schlagertexter Norbert Hammerschmidt über Nacht eine neue Version, eine übertriebene Anhäufung von Klischees, die die Plattenfirma sowieso nicht durchgehen lassen würde. Ließ sie aber dann doch, und seitdem ist das deutsche Liedgut um Zeilen wie »Santa Maria / nachts an deinen schneeweißen Stränden / hielt ich ihre Jugend in den Händen / Glück, für das es keinen Namen gibt« reicher.
Wo andere Schlagersänger*innen meist ihren fiktiven Liebschaften hinterherschmachten, geht es bei Roland Kaiser stets zur Sache, und sei es nur in der Fantasie: »Manchmal möchte ich schon mit dir / eine Nacht das Wort Begehren buchstabieren«. Nachdem in den 2000er Jahren etwas die Luft raus war, schrieb Maite Kelly 2014 das gemeinsame Duett »Warum hast du nicht nein gesagt« über einen Mann und eine Frau, die sich zwar gegenseitig die Schuld an ihrer Affäre geben, aber eigentlich schon wieder spitz aufeinander sind. Ein astreines, sich in den Refrains stets steigerndes Discofox-Brett, beim dem sich beiden zwar auf der Bühne umgarnen, aber mit der angemessenen Portion Ironie. Er kann es noch, der Kaiser. Und macht weiter. Tony Bennett nimmt mit 95 Jahren ja auch noch Platten mit Lady Gaga auf.