Viel besser, als man glaubt: Anlässlich von Herbert Grönemeyers 60. Geburtstag im April 2016 und pünktlich zum Weihnachtsgeschäft erscheinen die Werkschau »Alles« mit 23 CDs sowie das Album »Live in Bochum«. Der perfekte Anlass, in den Schubladen zu kramen und einige nahe- und fernliegende Fakten ans Licht zu holen.
A wie »Alkohol« Laut Grönemeyer ein »Sanitäter in der Not« und zudem ein »Fallschirm und ein Rettungsboot«. Hätte Harald Juhnke nie gesungen.
B wie Bochum Nicht Geburtsort, dafür Wirkungsstätte Grönemeyers. Gegenstand seiner inoffiziellen Ruhrpott-Hymne »Bochum«. Der »Pulsschlag aus Stahl« ist längst verstummt, auf der Königsallee finden immer noch keine Modenschauen statt.
C wie »Currywurst« Ode an leckere, in Därme gepresste, mit Gewürzsoße übergossene Resttiermasse. Besungen von Grönemeyer, geschrieben von Diether Krebs und Jürgen Triebel.
D wie »Der Weg« Grönemeyers traurigstes Lied, in dem er den Tod seiner Frau verarbeitet. Erstmals live bei »Wetten, dass?« auf dem Piano gespielt, hinterließ es eine Mehrzweckhalle und ein Land mit feuchten Augen.
E wie Eisbär Tapst als etwas angegilbtes Maskottchen durch Grönemeyers Video zu »Mensch«. Trifft den Sänger in einer Karaoke-Bretterbude am Strand, baut eine Sandburg, zerstört diese und sucht das Weite. Hat irgendwas zu bedeuten.
F wie Flugzeuge Befinden sich in der Regel in Grönemeyers Bauch. Liebeskummer hat eben kein Nachtflugverbot. Das Lied wurde 1998 völlig zu unrecht vom Soap-Darsteller »Oli P.« gecovert.
G wie Glückauf Das Steigerlied wird von Grönemeyer als Intro zu »Bochum« gespielt. Auftakt zu einer wilden Anhäufung von Gänsehäuten; vor allem, wenn beim Live-Konzert das Publikum den Gesang übernimmt. Wer da nichts fühlt, hat ein Herz aus Steinkohle.
H wie Hollywood Großes Kino ist auch nach dem »Boot« Grönemeyers Ding, wenn auch nur in Nebenrollen in Filmen von Anton Corbijn: 2007 spielte er in »Control« einen Arzt; 2014 holte er als Geheimdienstler in »A Most Wanted Man« Philip Seymour Hoffmann vom Flughafen ab.
I wie »I Walk« Erschien 2012 in Großbritannien und Benelux. Enthält englische Versionen seiner Hits wie »Airplanes in My Head« und ein leicht rumpelig-zernöhltes »Mensch«-Duett mit Bono von U2.
J wie »Jetzt oder Nie« In Liedform gegossene Trotzigkeit der Welt gegenüber und Aufruf zu deren Veränderung, inklusive einer Huldigung der samstäglichen WDR2-Bundesligakonferenz – »Wascht ihr nur eure Autos!«
K wie »Komm zur Ruhr« Auftragsarbeit als Hymne zur Kulturhauptstadt Ruhr.2010. Textlich leider total verbaut. Konnte trotz der brennenden Ölfässer im Bühnenbild der Eröffnungsfeier die Herzen der Ruhrpottler nicht dauerhaft erwärmen.
L wie »Luxus« Geballte Gesellschaftskritik von 1990. Austern statt Currywurst, »Zweifel ertrinken bei uns im Champagner«. Könnte heutzutage auch von einer Echo-Verleihung handeln.
M wie »Männer« Sie wissen schon: »Männer nehmen in den Arm / Männer geben Geborgenheit«. Aber auch: »Männer führen Kriege / Männer sind schon als Baby blau«. Bester Beitrag zur Genderdebatte der letzten dreißig Jahre.
N wie Nazis »Die Härte«, Grönemeyers Lied gegen rechte Idioten erschien 1993 auf der CD »Chaos«. Ein zackiges Ska-Brett mit klarer Ansage: »Auf der Suche nach einem Führer / es ist hart, allein beschränkt zu sein«.
O wie Ohohohoho Immer wiederkehrende Lautmalerei Grönemeyers an textfreien Stellen. Aber Michael Stipe von »R.E.M.« hat sich ja auch durch seine Lieder hindurch ge-heyheyheyt und ge-nananat.
P wie Panzer aus Marzipan »Kriege werden aufgegessen / einfacher Plan, kindlich genial«. Zeile aus »Kinder an die Macht« von 1986. Eine schöne Utopie, aber die Blagen von damals sind heute auch Versicherungsfachangestellte und Politiker.
Q wie Quasselstrippe Das Gegenteil von Herbert Grönemeyer.
R wie Retro 1983 erschien auf »Gemischte Gefühle« mit »Kadett« eine ironisch-affirmative Liebeserklärung an einen Opel namens »Heinzken«.
S wie Schauspielhaus Bochum Erste große Bühne für Grönemeyer; anfangs als Pianist, später als musikalischer Leiter und Schauspieler unter Peter Zadek, etwa als »Till Eugenspiegel« oder in Frank Wedekinds »Frühlings Erwachen«.
T wie Tief im Westen Laut Grönemeyer ist es dort »viel besser als man glaubt«. Schwerstromantisch, dieses »Himmelbett für Tauben«. Wird heute immer noch vor jedem Heimspiel des VfL Bochum schief und schön intoniert.
U wie U 96 Schauplatz des deutschen Blockbusters »Das Boot«, in dem Grönemeyer den Leutnant Werner spielt. Neben ihm war mit seinem Schulfreund Claude-Oliver Rudolph, Ralf Richter und Klaus Wennemann das halbe Ruhrgebiet an Bord.
V wie Viersechsdreinull War 1984 Bochums Postleitzahl und Titel der ersten erfolgreichen Langspielplatte voller Hits. Nahm mit dem Kreideschrift-Tafel-Cover die heutigen Hipster-Beschriftungen in Bochum-Ehrenfeld vorweg.
W wie Wiglaf Droste Der ostwestfälische Satiriker und Majestätsbeleidiger Droste unterstellte dem Volkssänger einst, das der »nicht tanzen könne«. Beim »Echo« bewies Grönemeyer 2015 mit einer lässigen Choreografie zu »Fang mich an« das Gegenteil.
X wie Xaver Grönemeyers Bruder heißt nicht Xaver, sondern Dietrich und ist Mediziner. Leitete den Lehrstuhl für Mikrotherapie an der Uni Witten-Herdecke, was aber nichts mit der Behandlung von überarbeiteten Tonübertragungsgeräten seines Bruders zu tun hat.
Y wie Yamoussoukro Hauptstadt der Elfenbeinküste. Wurde noch nie von Grönemeyer besungen. »Yamoussoukro, ich komm aus dir« hätte auch jedes Versmaß gesprengt.
Z wie Zeche Bochum Soziokulturelles Zentrum, früher Auftrittsort Grönemeyers. Dort lief er Wolfgang Welt über den Weg, der zuvor seine Platte »Zwo« verrissen hatte – »dämliche und unzumutbare Texte«, »unter aller Sau« – schüttelte ihm die Hand und sagte: »Hast recht gehabt.«
»Alles« 23 CD-Box: alle Studio- und Live-Alben, Soundtracks, Raritäten, Remixes, Buch und Kunstdruck (auch als limitiertes Vinyl-Box-Set)
»Herbert Grönemeyer – Live in Bochum« , 2 CD-Box
Erscheinungstermine: 25. November 2016 bei Grönland / Universal Music,
www.groenemeyer.de