TEXT: FRANK MAIER-SOLGK
Die Konjunktur neuer Museumsbauten, die so mancher Kommune in den letzten Jahren die erhoffte Imageverbesserung und eine publikumsattraktive Standortaufwertung bescherte – sie neigt sich nach den opulenten 80er und 90er Jahren ihrem Ende zu, geschuldet den finanziellen Nöten der öffentlichen Hand. Die dieser Tage noch eröffneten Häuser – vor kurzem das Kunstmuseum in Leipzig, im vergangenen Jahr das Kunstmuseum Lentos in Linz, das Pan Kunstforum in Emmerich am Niederrhein, demnächst ein neues Haus für die Sammlung Frieder Burda in Baden-Baden (Architekt: Richard Meier) sowie 2006 das Arp-Museum, Remagen (ebenfalls Richard Meier), – sie hatten entweder eine lange Vorlaufzeit oder gehen bei unterschiedlicher Baufinanzierung auf private Sammlungen zurück, für die eine adäquate Behausung gesucht wurde.
Im Fall des nun eröffneten Museums der Langen Foundation auf der Museumsinsel Hombroich hat die im vergangenen Jahr verstorbene Stifterin Maria Langen nicht nur die hauseigene Sammlung eingebracht – japanische Kunst des vergangenen Jahrtausends und Arbeiten der klassischen Moderne –, sondern auch die gesamten Baukosten übernommen. Bei der Grundsteinlegung im Herbst 2002 war von 6,5 Millionen Euro die Rede Bereits 1996 war der ursprünglich gar nicht für diesen musealen Zweck konzipierte Entwurf des japanischen Pritzker- und Kyoto-Preisträgers Tadao Ando auf der Biennale in Venedig ausgestellt worden, bevor er als ein verheißungsvoller Konterpart zur Sammlung erkannt wurde – einem, der der Philosophie des Ortes in ihrem konzentrierten Dialog von Kunst und Natur pointenreich zu entsprechen schien.
Auf dem Gelände der ehemaligen Nato-Raketenstation bestimmt nun fernöstliche Kontemplation die Atmosphäre. In Sichtweite einer die umgebenden Felder wie ein Leuchtturm überragenden Skulptur von Eduardo Chillida, unweit dreier neuer, kapellenförmiger Ausstellungshäuser des dänischen Künstlers und Architekten Per Kirkeby –einfache Ziegelbauten, die auf ähnlichem Grundriss zwei »Kirchenschiffe« im rechten Winkel zueinander stellen, von steilen zinkverkleideten Satteldächern bedeckt sind und in ihrem kargen Inneren die grün-blauen Farbkombinationen des Künstlers vor weißem, geradezu protestantischem Hintergrund leuchten lassen – unweit davon also erhebt nun auch Tadaos Museum erkennbar einen eigenen Kunstanspruch. Es ist Andos erstes größere Projekt in Deutschland, nach dem Konferenzgebäude für die Firma Vitra in Weil am Rhein, wiederum in einem ruhigen, minimalistischen, japanische Traditionen aufnehmenden Architekturstil, der weltweit Bewunderung findet. Nicht überraschend spielt die Kunst in seinem Werk eine Hauptrolle. Für die »Pulitzer Foundation for the Arts« im amerikanischen St. Louis entwarf er 2001 deren Zentrale, 2002 wurde sein Bau des Modern Art Museum im texanischen Fort-Worth eröffnet. Und für 2006 oder 2007 ist die Eröffnung der Fondation Pinault auf der Île de Seguin bei Paris geplant, deren Entwurf für den Umbau der ehemaligen Renault-Werkshallen bereits heute die Aufmerksamkeit findet.
Andos neuer Museumsbau auf der Insel Hombroich versteckt sich, von der Ferne kaum sichtbar, hinter begrünten Erdwällen und gräbt sich zum Teil tief in den Boden ein. Das Entrée bildet – gleichsam als ein Raum der inneren Sammlung – ein rund vier Meter hoher, halbkreisförmiger Betonbogen, durch den das Gelände betreten wird. Die Anordnung der beiden zentralen Baukörper und ihre Verbindung ist raffiniert und nicht auf den ersten Blick erkennbar. Der Blick fällt zunächst auf eine rund 80 Meter lange, schmale Glasveranda, die eine kleineren Betonriegel umhüllt. An diesen Bauteil schließen sich in einem Winkel von 45 Grad zwei parallel angeordnete Betonkörper an, die über die Hälfte in die Erde versenkt sind.
Wie man es von Andos poetischem Stil der so genannten neuen Einfachheit gewohnt ist, präsentiert sich der gesamte Bau in einer reduzierten, aber ausdrucksstarken Formensprache und im Gewand minimalistischer Materialästhetik: glatter, fast maserungsfreier Sichtbeton, im Inneren als Bodenbelag betongrauer Estrich, weiß und erdfarben gestrichene Wände. Ein geschwungenes Spiegelbecken, von einer Reihe von Kirschbäumen flankierte, umspielt in der Andeutung japanischer Gartenkunst den Eingangsbereich. Die Eingrenzung durch die Wälle betont noch die sakrale Stimmung. Andos Grundidee in Hombroich ist erkennbar die eines heiligen Bezirks.
Kein heiliger Ort ohne szenische Dramaturgie. Die aber manifestiert sich hier vor allem in einer eher zwanghaft wirkenden Wegführung. Nach Durchschreiten des Tors im Eingangsbogen führt der Weg den Besucher zunächst das Becken entlang, dann nach einem Knick entlang einer Fassade; er wird über die Glasveranda um das Gebäude herumgeführt, bevor er den ersten Ausstellungsraum betritt. Auf der gegenüberliegenden Seite senkt sich die Veranda als Rampe sanft zum zweiten Trakt hinab, der auf einer breiten Galerie betreten wird und von hier den Blick freigibt über die beiden acht Meter hohen »Erdräume« und eine zwischen beide geschobene, allerdings funktionslose Freitreppe, was reichlich manieriert wirkt. Eine schmale Betonrampe führt von der Galerie zu den tiefer gelegenen Ausstellungsbereichen (ca. 800 qm Ausstellungsfläche). Eine Treppe auf der Rückseite erschließt schließlich eine Terrasse, die in harmonischem Übergang zur umgebenden Rasenfläche sich wieder der Natur annähert.
Die Technik bleibt vollständig verborgen; Naturlicht fällt vor alem durch mittige Oberlichtbänder. Details wie die auf der Glasveranda im Boden eingelassenen grünen Lichtbänder fügen dezent eine weitere artifizielle Note hinzu. Andos Museum ist eine begehbare Skulptur, ein Werk, das mit erheblichem, gelegentlich übertrieben wirkendem dramaturgischen Aufwand – so bei der reichlich ausladenden Glasveranda – vor allem der Idee der Verbindung von Innen und Außen gerecht zu werden sucht. Wie sich dieser Duktus mit der Präsentation der Ausstellungsobjekte vertragen wird, wird sich herausstellen, wenn die Ausstellung am 12. September eröffnet wird. Doch scheint der Bau mit den beiden hermetischen Ausstellungsräumen allemal die Voraussetzung für eine konzentrierte Kunstbetrachtung zu bieten. Gegenüber den älteren Ausstellungspavillons auf der Insel Hombroich, den einfachen kubischen Backsteinziegelbauten des Bildhauers Erwin Heerich, die fast wie naturwüchsige Merksteine wirken, verrät die Komposition Andos trotz ihrer Einbettung in die Natur eine deutlich artifiziellere Handschrift; es ist eine Architektur, die in der flachen, unspektakulären Landschaft mit weltläufiger, fast exotischer Eleganz daherkommt.