Text Dagny Moormann
Während neue Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse in den Städten alltäglich sind, ging es für Designer Nils Krüger und sein Team von Büro+Staubach aus Berlin um nichts Geringeres, als das Wahrzeichen der Stadt neu zu entwerfen.
Notbremsschalter und Sitze für den öffentlichen Nahverkehr haben die Designer von Büro+Staubach entworfen, Straßenbahnwagen weiterentwickelt, Metros für Städte wie Peking oder Buenos Aires gestaltet. Ein Wahrzeichen wie die Wuppertaler Schwebebahn jedoch nicht. »Einerseits gab es dabei eine Menge Punkte, die nicht zu diskutieren waren, etwa die Maße«, sagt Nils Krüger, Geschäftsführer und Professor für Entwurf mit Schwerpunkt Design und Mobilität an der Kunsthochschule Weißensee. Andererseits habe sich ein Möglichkeitsraum eröffnet: Während für manche der alte Kaiserwagen, der ja immer noch herumfährt, das eigentliche »Wahrzeichen« sei, hätten andere geradezu »futuristische Erwartungen«.
2010 bekam das Büro den Auftrag, nach mehr als 40 Jahren neue Wagen für die Schwebebahn zu entwerfen, die 1901 gebaut und zum Aushängeschild der Stadt wurde. Den Auftrag für den Bau der 31 Wagen bekam der Düsseldorfer Konzern Vossloh Kiepe, der sie in Valencia montieren ließ. Bis Ende März gibt es nun nächtliche Testfahrten, bevor sie voraussichtlich ab August oder September nach und nach zum Einsatz kommen und die alten ablösen.
Aus Sicht der Stadt war der Neubau notwendig, weil es andere technische Ansprüche zu befriedigen galt. So soll die neue Schwebebahn schneller beschleunigen und entsprechend abbremsen können, um mit Hilfe des Betriebssystems einen Zwei-Minuten-Takt zu erreichen und damit eine der Voraussetzungen für die Landesförderung. Auch Bremskraftrückgewinnung, LED-Beleuchtung, Luftbehandlung und Infodisplays sind dazu gekommen. »Auch wegen der Technik war klar, das Design nicht auf den Kaiserwagen zu fokussieren«, erklärt Krüger, »zum Wahrzeichen gehört die ganze Infrastruktur, die Schwebebahn ist das Rückgrat für den ÖPNV der Stadt«.
Also hat das Team ein Konzept entwickelt, was dazwischen passt und sich an der letzten Wagengeneration orientiert. »Eine Evolution.« Die plane Frontscheibe wurde genauso beibehalten wie die rechtwinkligen Grundzüge des Gesamt-Designs. »Die rechten Winkel machen einfach Sinn, um den Platz optimal zu nutzen«, sagt Krüger, »mit einer Deckenhöhe von circa zwei Metern und nur einer Reihe Sitzen sind die Fahrzeugwagen relativ klein.« Einen etwas breiteren Durchgang konnten sie schaffen, die Maße ansonsten jedoch nicht verändern, da sie dem Lichtraumprofil entsprechen müssen, also dem maximal möglichen Querschnitt für die Fahrstrecke.
Um den Innenraum besonders groß erscheinen zu lassen, ist er an Wänden und Decken weiß gehalten und der Übergang dazwischen abgerundet. So erhöhe sich »die Aufenthaltsqualität«. Auch das Holz der Sitzschalen hat einen hellen Ton, während Böden und Streifen in den Sitzpolstern jeweils rot, gelb oder grün sind. Die drei Farben sollen mehr »Identifikationsmöglichkeiten« schaffen, sagt Krüger. Die Leute sollen sagen können: Heute bin ich mit »der Roten« gefahren.
Das Holz der Sitze ist Kontrapunkt zum blanken Weiß und als Material ganz praktischen Gesichtspunkten geschuldet. Das Gewicht spielt bei der Schwebebahn, die technisch gesehen eine Hängebahn ist, eine größere Rolle als bei U- oder S-Bahn. Ein Wagen darf maximal 25,678 Tonnen wiegen. Die Entwicklung der Sitze war also auf Gewichtsoptimierung ausgelegt. Krüger findet zudem, dass Holz »anständiger« altere als Kunststoff und den Raum ästhetisch aufwerte.
Auffälligste Veränderungen sind das Himmelblau der Außenhülle und die geneigten Scheiben an beiden Enden. Fahrer und Kunden sollen so besser sehen können, beide Bereiche bieten zudem mehr Platz. Während der Blick nach unten bei einer Metro wenig attraktiv wäre, hat das Designbüro in diesem Punkt eine Besonderheit der Schwebebahn aufgegriffen: »Mit den bis zum Boden durchgehenden Scheiben im Heck machen wir das Thema Schweben sichtbar«, erklärt Krüger. Auch mutet die Schwebebahn durch die Neigung der Scheiben anders an als vorher. »Sie bekommt eine plastische Gestalt, ihr Kopf zieht sich ein, das ist ein Charakteristikum, das bleibt.« Nur Fliegen wäre schöner.
Während Türen, Gelenke und Fenster Form und Position in etwa behalten, sticht die Farbe ins Auge. Das helle Blau assoziiere »Leichtigkeit« und zitiere »gemeinsam mit der roten Grafik das Erscheinungsbild der Stadtwerke«. Wie die Wuppertaler die erste neue Bahn bereits empfangen haben, wertet er als gutes Zeichen. 5.000 Leute standen in Vohwinkel und sahen sich den Wagen an. Anders, als wenn eine neue Straßenbahn aufs Gleis kommt. »Das hatte fast Volksfestcharakter, es war ehrliches Interesse«, meint Krüger. Was ihn nach der wohlwollenden Aufnahme wundert, ist die Diskussion um die Farbe: »Warum nicht wieder orange-blau wie früher?« Die Frage findet er seltsam angesichts der vielen Wagen, die längst schon sparkassenrot oder diebelsgrün seien. »Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die ersten Wagen werbefrei sind und Werbung auch in Zukunft nur behutsam eingesetzt wird: Komplettbeklebung wäre Identitätsvernichtung, man hängt sein Wahrzeichen nicht mit Werbung zu.«