TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Nichts ist für die Ewigkeit. Auch schwere Schrankwände zerfallen mal zu Staub. Oder zumindest in ihre Bestandteile, die dann an Sperrmülltagen darauf warten, auf die Deponie gebracht zu werden. Sieben Millionen Tonnen Möbel landen in Deutschland jährlich auf dem Schrott, 90 Prozent davon werden direkt verbrannt. Ein riesiger Berg Wohlstandsmüll, der, befeuert von der Preispolitik der Möbeldiscounter, in den nächsten Jahren noch wachsen wird. Wer heute umzieht, möbelt sich oft direkt neu ein, sei es aus Bequemlichkeit, sei es wegen der Billigangebote. Diese Herangehensweise zeugt nicht von großem Nachhaltigkeitsbewusstsein, kommt aber jemandem wie Oliver Schübbe zu gute.
Schübbe ist Möbeldesigner, lebt und arbeitet in Herford und entwirft Einrichtungsgegenstände aus recycelten Materialien vom Wertstoffhof. Schon als Kind war ein Schrottplatz für ihn eine »wahnsinnige Inspirationsquelle«. Nach seinem Diplom in »Experimentellen Möbeldesign« hat er sich selbstständig gemacht, ist mit seinen Entwürfen über die einschlägigen Messen in Köln, Mailand und Tokio getingelt, »der ganze Zirkus eben, den man als Designer halt so macht!«, war dann auch mal ein Jahr in Berlin, wo es gar nicht gut lief, um dann nach Herford zurück zu kehren und im Möbellandstrich Ostwestfalen sehr erfolgreich ein Netzwerk aufzubauen. Kontakte zu einem Unternehmer, der einen Werkstattleiter für zwölf Mitarbeiter suchte, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen, und die Zusammenarbeit mit dem Museum MARTa, das mittlerweile sogar einen »Recyclingpreis« ausschreibt, schufen die Basis für Schübbes weitere Arbeit.
Sein Material sucht er sich auf den Wertstoffhöfen der Republik zusammen. Holzplatten in verschiedensten Farben und Strukturen, aus denen Schübbe unter dem Slogan »ReThink ReCycle« neue Möbel entwirft. Mittlerweile lässt er z.B. sein Regalsystem »Frank« direkt da produzieren, wo die »Ressource Müll« anfällt – eben in der Nähe der Wohlstandshalden oder in der Nachbarschaft von Möbelfirmen, die ihm die Reste überlassen. Das Ergebnis kann man sich ins Wohnzimmer stellen. »Frank« ist ein modulares Regalsystem, dessen Elemente sich organisch aneinanderschmiegen, und denen man ihre Herkunft durch die unterschiedlichen Holzsorten direkt ansieht. 15.000 Elemente von »Frank« hat Schübbe mittlerweile verkauft, was nicht nur mit dem Preis (19 Euro), sondern auch mit dem Design zusammenhängt. Schübbes Möbel sind, durch die immer wieder andere Beschaffenheit der Materialien, Unikate. Dazu gehören auch der Sessel und das Sofa »Pixelstar«, für dessen Polster Stoffe unterschiedlichster Art recycelt werden, und die im deutschen Pavillon auf der Architektur Biennale 2008 in Venedig ausgestellt waren.
Sein Wissen bringt Oliver Schübbe in letzter Zeit auch via Fernsehen unter die Leute: Für »zdf neo« half er in »Das Schrotthotel« mit, ein leeres Hotel in Köln mittels Recyclingmaterial zu einem Designerschuppen umzubauen, und ab Januar 2011 streift er für den SWR über die Wertstoffhöfe. Bis dahin wird man aber von ihm und einer neuen Idee noch hören: dem Kleiderschrank in Sargform. Zu Lebzeiten ist dieser ein ganz »normales« Möbelstück in der Wohnung; nachdem der Besitzer verstorben ist, wird er darin bestattet oder verbrannt. Sterben mit Stil – Recycling auf allen Ebenen. Und immer noch besser, als billiges Holz aus China zu importieren.