TEXT: HANS HOFF
Wer wissen will, was für den WDR anders wird, wenn Monika Piel im Intendantenbüro sitzt, werfe nur einen Blick auf das Programm ihrer Amtseinführung. Da steht nämlich nicht, wie bisher bei solchen Anlässen üblich, das WDR-Symphonieor-chester verzeichnet, sondern die WDR Bigband. Die hat zudem nichts Getragenes im Festprogramm, sondern vier Titel von Jimi Hendrix. Deutlicher kann man kaum machen, dass sich der Wind im Kölner Funkhaus dreht, dass neue Wege gesucht werden, dass es vorbei ist mit der etwas bemüht väterlich anmutenden Selbstdarstellung Fritz Pleitgens. Der ist zur »Kulturhauptstadt« abgewandert, um Essen und das Ruhrgebiet geschäftsführend für 2010 fit zu machen. Ein vergleichsweise einfacher Job gegenüber der Aufgabe, die für Monika Piel ansteht. Sie muss den WDR mit seinen rund 4500 Angestellten in stürmische Tage leiten. Es wird für die öffentlich-rechtliche Anstalt zweifellos eng werden in den digitalen Zeiten, die teilweise schon jetzt machtvoll das Mediengeschehen diktieren. Ganz so schnell mag Piel den Wandel indes noch nicht nahen sehen. Noch ist es ihrer Ansicht nach nicht so weit, dass sich Menschen ihr Fernsehprogramm nach Belieben im Netz oder auf der Festplatte zusammenstellen. Minderheiten seien es, »die permanent Lust haben, sich zu entscheiden, was sie wann sehen oder hören wollen«, sagt sie und verweist auf die Vorliebe der Masse: »Die meisten Menschen sind froh, wenn wir für sie eine Vorauswahl treffen und sie einem gelernten und festen Rhythmus folgen können.«
Trotzdem rüstet sie sich für das, was kommt. Sie weiß, wie man einen Podcast downloadet, und auch, dass bei »YouTube« längst WDR-Sendungen zu finden sind, obwohl sie kein Anstalts-Angestellter dort eingestellt hat. Dürfte er auch gar nicht, denn derzeit steht einem Angebot im Netz ein Dickicht an Urheberrechtsfragen entgegen. Zwar will Piel in entsprechende Verhandlungen mit den Gewerkschaften einsteigen, aber erfahrungsgemäß dauern solche Dinge, und so wird der WDR einige Weile brauchen, bis er tatsächlich und umfänglich an der Zukunft teilhaben kann.
Derweil setzt die Intendantin auf das Pfund eines großen Namens und guten Rufes. »Der WDR soll eine ganz eigene Programmhandschrift haben«, fordert sie sich ab: »Ich will, dass wir in jeder Hinsicht mutig, unabhängig und glaubwürdig sind. Ich würde mich auch freuen, wenn wir in fünf Jahren für schräge, witzige Unterhaltung stehen.«
Damit sind Schwerpunkte gesetzt. Schließlich gibt es am rein journalistischen Angebot des WDR kaum zu mäkeln, oder wenn, auch nicht mehr als bei jeder Tageszeitung. Ansonsten herrschte aber in den vergangenen Jahren eher Stillstand. Wer in Pleitgens Ära einem Unterhaltungsredakteur begegnet ist, konnte leichte jene Form von lähmender Me-lancholie spüren, die aus misslungenen Versuchen gespeist wird, etwas Neues zu probieren und schon bei den nächsten Vorgesetzten zu scheitern. Damit sich das ändert, hat Monika Piel eine erfahrene Fachfrau als Nachfolgerin des eher mauen Fernsehdirektors Ulrich Deppendorf engagiert. Mit der gebürtigen Düsseldorferin Verena Kulenkampff kommt eine ausgewiesene Expertin für Unterhaltung ins Haus. Die darf nicht nur experimentieren, sie soll das ausdrücklich.
Gerne würde Monika Piel an die Tage anknüpfen, da der WDR Talente wie Hape Kerkeling mit entdeckte, Harald Schmidt ohne große Summen ans Haus band, eine gute Idee schnell den Weg auf den Schirm fand. Als der Sender Eins Live sich zur Fußball-WM ziemlichen Ärger einhandelte, weil er eine recht derbe Satire zum Kickerjüngling Lukas Podolski im Programm hatte, stellte sich die Hörfunkdirektorin Piel demonstrativ hinter ihre Mannschaft. So etwas wirkt nach. Und macht Mut. Möglicherweise auch jenen, die damit rechnen müssen, dass die aus Bensberg stammende Piel nun jeden Sendeplatz ganz genau anschaut. Was machen wir? Brauchen wir das wirklich? Erreichen wir damit jene Menschen, die wir erreichen wollen?
Besonders bei der letzten Frage könnte häufiger ein Nein stehen, wenn die Zielgruppe in der Altersklasse unter sechzig ausgemacht wird. Dort hat der WDR massiv Schwierigkeiten, an Publikum zu kommen. Mit 61 Jahren ist das Durchschnittsalter des Zuschauers im WDR Fernsehen ausgewiesen. Piel: »Wir machen nicht speziell Fernsehen für Ältere, aber die fühlen sich offenbar stark angesprochen von der Art, wie wir es machen. Das liegt sicherlich daran, dass unsere Angebote in erster Linie informations- und serviceorientiert sind. Wir müssen aber auch versuchen, junge Leute zu holen.«
An ihrer Qualifikation hat Monika Piel nicht eine Minute gezweifelt. Seit 1997 ist sie Hörfunkdirektorin und hat schon in diesem Amt die Geschicke des WDR entscheidend mitbestimmt. Hat in fast allen Gremien der ARD mitgeredet und weiß, wie die Granden des Senderverbundes ticken. Die Runde wird künftig ein wenig flexibler agieren müssen, wenn neben der rbb-Intendantin Dagmar Reim eine zweite Frau das Wort im Ersten führt.
Man spürt bei Monika Piel, dass sie seit über 30 Jahren zum WDR gehört. In all der Zeit hat sie sich indes eine gewisse Distanz zum anstaltlichen Muff gewahrt. Tritt liebenswürdig auf, bleibt in der Sache aber oft beinhart. Sie trage einen Ziegelstein in ihrer Handtasche spazieren, sagen Missmutige, womit sie signalisieren wollen, dass man dem Charme der Dame nur bedingt trauen solle. Für die so Gekennzeichnete ist das nicht neu. Sie biete sich nun mal als Projektionsfläche für Interpretationen aller Art an. Damit müsse sie leben. Ihr wahres Wirken zeigt sich eher hinter den Kulissen. Als etwa vor Jahren WDR 2 musikalisch ins seichte Terrain der Privatsender abdriftete, steuerte sie bald gegen. Holte einen anderen Musikchef und feilte mit ihm persönlich am Profil, so dass WDR 2 inzwischen wieder sauber unterscheidbar ist und nicht selten auch mal einen Song der »Rolling Stones« bringt, der erklärten Lieblingsband der Hausherrin. Mit der »Diskothek im WDR« ist sie auf- und an den Sender herangewachsen, sozusagen musikalisch sozialisiert worden. Sich selbst sieht sie als Prototyp des WDR 2-Hörers, auch wenn das Programm für sie gelegentlich eine Spur härter ausfallen dürfte (siehe Jimi Hendrix).
Verheiratet ist Monika Piel mit dem WDR2-Moderator Roger Handt, der sich vor allem mit der samstäglichen Oldie-Show »Yesterday« einen Ruf als popmusikalischer Altenpfleger eingehandelt hat. Dass ihr die Beschäftigung des Gatten bereits die eine oder andere Anfeindung einbrachte, kann sie ertragen. Sie achtet sauber darauf, Beruf und Familie zu trennen. Sicher nicht immer leicht, zumal, wenn man den Mann des Herzens im Sender kennen gelernt hat. Ende der 70er-Jahre war es, als Roger Handt die Musik fürs Morgen- und Mittagsmagazin zusammenstellte und dabei auf eine aufstrebende Redakteurin traf. Als Handt dann Anfang der 80er-Jahre nach Portugal ging, um sich ziemlich glücklos als Chef eines eigenen Radiosenders zu versuchen, folgte ihm die Ehefrau und schickte dem WDR von dort Korrespondenten-Berichte.
Später kehrten beide zurück in den siche ren Schoß des WDR. Piel arbeitete unter anderem als Parlamentsjournalistin in Bonn und traf dort auf den CDU-Forschungsminister Jürgen Rüttgers, was sich nun als praktisch erweist – mit Blick auf die NRW-Staatskanzlei. Sie pflege ein normales Verhältnis zur Politik, sagt die Parteilose. Sie schätze, dass sich Rüttgers nicht nur auf EU-Ebene für die Belange des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einsetze. Mehr an Verbindung sei da aber nicht zu erwarten.
Die 55-jährige Mutter einer studierenden Tochter pflegt die Politikferne sehr bewusst. Sie will als Macherin begriffen werden und weist den Anwurf, der WDR mutiere langsam zum Frauensender, klar zurück. »Es sind mehr Frauen in jüngster Zeit in Führungspositionen gekommen, weil viele in Stellvertreterpositionen waren. Da ist es logisch, dass sie nachwachsen, wenn sie ihren Job gut gemacht haben.« Ansonsten herrsche immer noch großes Ungleichgewicht: »Bei hausweit 39 Topstellen, die außertariflich bezahlt werden, sind es mit mir zusammen acht Frauen. Es gibt also keinen Grund zur Beunruhigung.«
Unruhe machte sich jedoch breit, als die Hörfunkdirektorin antrat und das Symphonie-Orchester und die Bigband in Frage stellte. Sie hätte »mit den Klangkörpern nie etwas zu tun« gehabt und musste sich »damit auseinandersetzen«. Sie berichtet von Lerneffekten und spricht von der »großen Bereicherung«. Es wurde Überzeugungsarbeit geleistet, nachdem sie »die unverschämte Frage gestellt habe: Warum müssen wir Klangkörper haben? Es gibt doch so viele CDs?« In der Folge sei für je den Klangkörper eine Positionierung festgelegt worden. Darin stehe auch, dass jedes Konzertprogramm, »alles, was unsere Orchester und der Chor machen, gesendet wird. Wir haben festgelegt, wie oft welcher Klangkörper auf Tournee geht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf unserem Sendegebiet, auf Nordrhein-Westfalen«. Sie selbst sei, erzählt Piel, mit auf Tour gegangen und habe erlebt, wie das Orchester in Orte kam, die sonst nie ein Symphonieorchester sähen. »Die Musikerinnen und Musiker stehen teilweise auf Bühnen, auf denen am Abend vorher die Kälberschau war.«
Die konkrete Förderung der Kultur will Monika Piel vor allem im Hörfunk vorantreiben. »Was wir in der Kultur veranstalten, ist qualitativ wie quantitativ unglaublich. Kaum ein Festival, eine Veranstaltung in NRW, die ohne unsere Unterstützung arbeiten. Insgesamt sind es rund 1000 Veranstaltungen pro Jahr, an denen wir beteiligt sind oder die wir präsentieren.« Unmöglich, das alles im Fernsehen zu zeigen, zumal auf dem Bildschirm Symphoniekonzerte auch weniger interessant seien, findet Piel. »Wenn man es trotzdem macht, ist ein Riesenaufwand mit vielen Kameras nötig. Da hat sich eine Arbeitsteilung zwischen Radio und Fernsehen bewährt.« Die beherrscht Monika Piel jetzt auch selbst.