Der neue Roman von Camille de Peretti ist voll von großen und kleinen Gemeinheiten. Die erste ist der Titel, denn »Wir werden zusammen alt« klingt nach dem ehelichen Versprechen, seine späten Jahre gemeinsam zu genießen. Die französische Autorin beschreibt aber in ihrem dritten Buch, dem ersten, das auf Deutsch vorliegt, eher eine Zwangsgemeinschaft, die bereits ergraut ist: In 64 Kapiteln schreitet de Peretti die Zimmer des Altenheims »Les Bégonias« ab und stellt Bewohner, Verwandte und Pflegepersonal vor. Viele der Alten, denen wenig anderes bleibt, als auf den Tod und die (häufig ausbleibenden) sonntäglichen Familienbesuche zu warten, verwenden ihre langen Tage darauf, sich gegenseitig zu schikanieren.
Das Trio Louise, Marthe und Jocelyne ist darin besonders erprobt. Louise hat »ein Leben voller Reisen, Hummercremesuppe und Zitronentarte« geführt, doch im Alter bekümmert es sie, dass sie ihren Sohn vernachlässigt hat. Marthe, Frau eines evangelischen Pfarrers und Mutter von fünf Kindern, hat sich immer anderen gewidmet. Jetzt buhlt sie in Rivalität mit der
früheren Bistro-Wirtin Jocelyne um die Gunst der Dame von Welt Louise. Das Triumvirat beäugt sich permanent, misst Kräfte – aber auch zwischen diesen alten Schachteln, die sich nichts schenken, entstehen manchmal, wenn sie es denn zulassen, Momente der Nähe.
So ähnlich beschreibt Camille de Peretti alle ihre Figuren: Manche sind liebenswürdiger als andere, mindestens eine Macke hat jede. Auch in diesem Mikrokosmos Altenheim gibt es Komisches, wie den selbsternannten Kapitän Dreyfus, der dauernd in See stechen will. Mit nur wenigen Sätzen zeichnet Camille de Peretti ihre Charaktere so deutlich, dass man sie wie in einem Porträt vor sich sieht. Und diese Porträts sind zugleich prophetische Spiegel, in denen man sich beim Lesen von de Perettis Roman erkennt (und das ist die größten Gemeinheit des Buches): Das Alter ist nun mal im besseren Fall rührend, im schlechteren traurig – auch unseres. / DIN
Camille de Peretti, »Wir werden zusammen alt«. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011, 286 S., 19,95 Euro
Lesung im Rahmen der »Lit.Cologne« am 19.3.2011 im Institut français Köln.