Caligula, Nachfolger des Kaisers Tiberius, herrschte von 37 bis Anfang 41 n. Chr. Keineswegs zufällig setzte sich Albert Camus zwischen 1938 und 1944 mit Roms Imperator auseinander, als Europas Diktaturen zum Höhepunkt ihrer Gewaltentfesselung gelangten. Camus ging es um Anpassungswilligkeit, Opportunismus, bis zur Selbstverleugnung reichende Loyalität der Paladine und die Egozentrik der Führer. »Ich habe in diesem Fall alle Musik, alles was tönt, ausschließlich auf Caligula bezogen, auf sein psychisches und vegetatives Innenleben, seine Synapsen und Nervenfunktionen – alle anderen sind nur Planeten, die um ihn kreisen«, erläutert der Komponist. Detlev Glanert (Jahrgang 1960) schreibt hier versierte Theatermusik. Da insistiert der pochende Herzschlag eines kalten Caligula in den Zwischenaktmusiken auf dem Primat der »Innenansicht« von Machtverhältnissen. Der aus dem Dunkel kommende extreme Schrei am Anfang, der mit den folgenden 16 Orchestertakten an der Stelle einer Ouvertüre steht, kündigt Exzesse an und kehrt wieder, wenn der Kaiser gemeuchelt wird. Den extremen Situationen folgt die Tonspur ansatzweise: In der Orchesterbesetzung fehlen die mittleren Instrumente. Die Partitur bekennt sich zur Tradition deutscher expressiver Musik mit Anspielungen auf Strauss und Schreker; sogar die Mondnacht von Eichendorff und Schumann bringt sich in Erinnerung. Auch meldet sich Motorik wie in neoklassizistischen Kompositionen der 20er Jahre und wird schwungvoll an älteren Tanzmusik-Modellen angeknüpft. Glanerts Arbeit ist eher geeignet, Schönheitssehnsucht und gleisnerische Glücksversprechungen zu illustrieren, als nüchtern das Unsägliche menschlicher Hybris und Staatsterrors auszudrücken.
zur zentralen Rolle und Partie, die mitunter anmutet, als wäre es die jüngste Schwester der Strauss-Elektra. Ashley Holland gebärdet sich in der Titelpartie wie der junge Fassbinder, auch wenn die Stärke der Stimme mit den Kraftgebärden als hochintelligent-feinsinniger Zyniker nicht ganz mithält.
Enttäuschend die Bildsphäre von Alexander Lintl mit unspezifischen Innenräumen statt Staats- und Repräsentationsplätzen. Christian Pades Inszenierung hält sich an die Generalregie-Anweisung des Librettisten Hans-Ulrich Treichel, dass »Caligula immer und überall« spielen könne, und vermeidet Bezüge zu Despotien und Mediensonnenstaaten der Gegenwart. So erscheint die Anstößigkeit Caligulas bemerkenswert gebändigt. Lehren aus der Geschichte gibt es nicht. FCR