TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Könnte dieser Sessel fliegen, wäre er vom Radar wahrscheinlich nicht zu orten. Aufgrund seiner verwinkelten Form erinnert er an die düster-kantigen Stealth-Bomber der US-Armee, die aufgrund dieser Bauweise vom Feind nicht entdeckt werden können. Ein Stealth-Sessel also? Das dann doch nicht; das Spektakuläre dieses Möbels liegt im Detail. Von weitem könnte man es für die kreativere Variante jener Pappmöbel halten, die seit einigen Jahren feilgeboten werden. Was nach braunem Karton aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als dünne Aluminiumplatten, die mit Leder beklebt wurden.
Um den Sessel fertig aufzubauen, muss man ihn tatsächlich falten. Am Anfang stand die Idee einer Sitzgelegenheit, die sich so Platz sparend wie möglich lagern lässt, gleichzeitig aber auf die Rustikalität handelsüblicher Klappstühle verzichtet. »Im Prinzip ist das wie Origami« erklärt der Designer Arne Amtsfeld seinen Entwurf. Zusammengelegt bildet das Möbel eine flache Platte, die sich mit zwei Handgriffen zum Sessel auffalten lässt. Die 2D-Fläche wird so zum 3D-Raum. Auf der Internet-Seite des Kölner Designkollektivs »dua«, dem Amtsfeld angehört, ist dieser Prozess in animierter Form zu bestaunen. Die »dua«-Mitglieder verstehen sich als »Autorendesigner« – obwohl man sich als Gruppe präsentiert, bleiben die einzelnen Designer selbstständig in ihrer Arbeit und ihren Entwürfen, die, jeder für sich, etwas Besonderes und Einzigartiges darstellen.
Amtsfelds Faltsessel ist also in guter Gesellschaft. Der diplomierte Designer hat vor seinem Studium KFZ-Mechaniker gelernt und in der Werkstatt seines Vaters an Autos geschraubt. »Die Technik hat mich schon immer interessiert, und in diesem Studiengang ist ja eine handwerkliche Ausbildung von Vorteil.« Während des Studiums wurden auch die Grundlagen für diesen markanten Lounge-Chair gelegt, als sich eine Lehrveranstaltung mit dem Thema »Leder« beschäftigte. Das Material hat bei Amtsfelds Entwurf einen großen Stellenwert – ersetzt es doch alle Schrauben und mechanischen Verbindungen. Der Büffellederbezug, der in drei verschiedenen Sorten erhältlich ist, wird zum Scharnier zwischen den einzelnen Alu-Platten. Der minimalistische Ansatz, die Konstruktion auf zwei so unterschiedliche Materialien, dem »warmen« Leder und dem »kalten« Metall, zu reduzieren und diese gleichzeitig zu verbinden, ist gewagt. Trotz der skulpturalen Formgebung funktioniert das Konzept; und bequem ist der Sessel auch, wenn man nicht gerade das Sitzgefühl eines Sofas erwartet.
Amtsfeld tüftelt weiter an seinem Faltsessel, diesmal auch ohne Lederbespannung. Also Aluminium pur, das mit Hilfe von Nuten, die als »Sollbruchstellen« fungieren, in Form gefaltet werden soll. Weitere Faltmöbel sind momentan nicht vorgesehen, für eine Schrankwand wäre diese Art der Konstruktion zu komplex. Dafür entwickelt er gerade Strategien für die urbane Mobilität der Zukunft – in Form eines elektro-unterstützten Lastenfahrrads.