Keine Atempause: Helge Schneider geht mit seiner kleinen Band doch wieder auf Tournee, und mit der »Sammlung Schneider« kann man sich auf 21 CDs durch sein verschroben-schönes Schaffen der vergangenen Jahrzehnte hören und blättern.
Helge Schneider ist der Howard Carpendale des deutschen Kleinkunst- und Großmusikwesens, jedenfalls was die Ankündigungen von kreativen Pausen angeht. Erst wird dem Publikum mitgeteilt, dass man ab jetzt weg vom Fenster sei, es gebe keine Tournee mehr und überhaupt sei Schluss mit lustig – und ein Jahr später heißt es dann doch wieder »Hello again«. Oder eben »Lass knacken, Oppa!«. Helge Schneider geht nämlich weder in eine längere Pause oder in Rente, sondern wieder auf Tournee, deren Titel man durchaus affirmativ verstehen kann. Schneider, der im letzten Jahr seinen Sechzigsten feierte, macht weiter.
Mit diesem ganzen Helge-Wahnsinn mit ausufernden und jedes Mal anders improvisierten Geschichten, völlig zu Recht unkomisch-ernstem Jazz, wilden Coverversionen von bekannten Jazzschlagern und eigenen Liedern – und wenn das Publikum Glück hat, wird wieder der berufsbehaarte Sergej Gleitmann astral über die Bühne schweben, während Helge seine Teepause macht. Zu seinem Geburtstag ist die monolithische Box »Sammlung Schneider!« mit 21 CDs und einem 100-seitigen Booklet erschienen – alle seine bisherigen Musik- und Lifeshow-CDs von 1990 bis 2014, versehen mit grafisch neu interpretierten Cover-Artworks.
Darunter ist rares und unveröffentlichtes Material wie seine allererste Platte »IKEA« von 1975. Damals nahm er mit seinem »Helge Schneider Trio« bei einem Wettbewerb im Rahmen eines Jazzfestivals des bekannten Möbelmarktes in Dorsten teil. Mit Erfolg – die Gewinner durften eine LP einspielen, von denen nur 600 Stück samt einfacher Hülle aus ikea-typischem Packpapier hergestellt wurden, die Schneider nach und nach verschenkte. Das Booklet ist für Fans und interessierte Populärkulturwissenschaftler gleichermaßen eine Fundgrube. Ein Kinderfoto des skeptischen, kleinen Helge mit Haarspange im erzwungenen Scheitel ist lediglich der Anfang. Es folgen Zeitungsausschnitte, Rezensionen, Fotos aus den Anfangsjahren seiner Karriere und teils selbstverfasste Magazin-Texte.
Darunter ein Filmplakat zu Werner Nekes’ Film »Johnny Flash« von 1986, ein Fragebogen aus dem Stadtmagazin Prinz von 1988 und Schneiders Kolumnen aus der Zitty Anfang der 90er Jahre. Während die WAZ damals noch nach einem seiner Konzerte mit der Schlagzeile »Kunstvoll im Ton vergriffen« aufmachte, waren sich die Zeitgeistspezialisten von der Spex bereits sicher: »Ein Mann für Millionen«. Was sich dann später ja bekannterweise mit der fortschreitenden Comedyisierung Deutschlands bewahrheiten sollte – mit Schneiders Kinofilm »Texas« und seinem Auftritt bei »Wetten, dass?«, der ein leicht verstörtes Samstagabendpublikum zurückließ.
So eine CD-Box wie die »Sammlung Schneider«, die zudem noch auf 3000 Exemplare limitiert ist, hat natürlich immer etwas von Lebenswerk und Musealisierung. Gottseidank ist keiner auf die Idee gekommen, seine Werke als schwere Vinylpressungen für den Couchtisch der Ewigkeit herauszugeben. Helge ist ja nicht Rammstein. Man sollte die »Sammlung Schneider« nicht als Lebensarchiv hören, sondern als Zwischenstand eines solchen.
Alles andere würde der Produktivität Schneiders nicht gerecht. Er selbst geht damit gewohnt lässig um. In einem Promofilm bekommt er die Box zwischen Suppe und Kartoffeln auf einem Parkplatz in die Hand gedrückt, zieht einzelne CDs heraus und freut sich. Dann hat er die CD »Jazz« in der Hand und sagt: »Guck … hab ich alles selbst gespielt damals … da hatte ich noch keine Freunde.« Nach ein paar Sekunden packt er alles zusammen, wirft die Box beiläufig in den Kofferraum und schickt sich an, nach Hause zu fahren.
»Sammlung Schneider – Musik & Lifeshows«, Limitierte Box mit 21 CDs & Booklet, Roof-Music, 2015, 89,99 Euro
»Lass knacken, Oppa!«, Tourneetermine ab 5. Februar 2016 in ganz NRW, www.helge-schneider.de