// Der Film lässt es ordentlich knallen. Im Zeitraffer ohne Schallschutz, vom FKK-Sommer auf Sylt bis zum Deutschen Herbst in Stammheim und Mogadischu: Will man das alles noch einmal sehen, nur anschaulicher, authentischer, konzentrierter, allgemeiner? Eine Fahrt wie in der Geisterbahn. Eine Chronik der Fakten und eine Chronik der Gefühle, wobei die Fakten – Kaufhausbrand, Banküberfälle, Attentate, Geiselnahmen, Todeskommandos, Selbstmorde – einem irgendwann zuviel und fast egal werden, während die Gefühle (auch die evozierten falschen, beinahe revolutions-sentimentalen) Gefühle es sind, die bleiben. Was zu tun hat mit dem kalten und dem heißen Brennen und schlussendlichen Ausgebranntsein der beiden Frontfrauen, der analytisch-theoretischen Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) und der konkreten Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek): Sie sind das eigentliche, das einzige lohnende Ereignis der zweieinhalb Stunden.
Braucht man das Todesspiel wirklich noch mal, nach Breloer mit Ben Wisch und Brenner als Schleyer, nach Dokus und Fiktionen, nach Experten, Kombattanten und Renegaten, nach Fassbinder, Kluge, Schlöndorff, Jelinek. Nach so viel Bleierner Zeit jetzt die »Fetzendramaturgie«, Identitäts-Maskerade und Siebziger-Jahre-Imitation von Bernd Eichinger und Uli Edel entlang des Bestseller-Skripts von Stefan Aust. Jetzt also Moritz Bleibtreu als grinsender und mauliger Andreas Baader, nachdem der Spaß-Manni des deutschen Films schon bei Spielberg probieren konnte, wie es sich anfühlt, im Untergrund super-cool zu sein. Durchblättert wird das BRD-Album unter dem Stichwort 68, Studentenrevolte, repressiver Staat, RAF, Terror. Bloß nichts auslassen: Ohnesorg erschossen, Dutschke im Audimax der FU, Schwarzer September während der Münchner Olympia- de, Holger Meins verhungert, lustiges Lagerleben in Jordanien usw. Das Abhaken der Positionen führt nicht selten zu komischen Szenen und Dialogen wie dieser: Pastor Ensslin kommentiert Tochter Gudruns Parolen mit dem deutschen Hausvater-Satz: »Ihr solltet bald heiraten«.
Der Terrorismus als »Kommunikation mit den Toten« (Aust) wird auf diese Weise zum Big-Movie-Smalltalk mit den Untoten – mit dem »Mythos«, wie Horst Herold sagt, der in Gestalt von Bruno Ganz dem Durchdrehen der staatlichen Schraube rationale Vernunft entgegensetzt. Wenn es neben der Darstellung der beiden Revolutions-Ikonen Meinhof und Ensslin etwas Bemerkenswertes gibt, dann das Porträt des BKA-Chefs und die Widerlegung der These von den ermordeten Häftlingen in Stammheim. Ansonsten bietet »Der Baader Meinhof Komplex« die banal grandiose, synthetische Perfektion der Reproduktion. Der Film markiert, nein: zementiert den Epochenwechsel. Nicht nur den politischen, auch einen kinemathografischen. Von diesem Teil unserer Ge- schichte lässt sich also routiniert und melodramatisch im Genre des Action-Kinos erzählen. Keine Experimente, keine offene Form, keine Ästhetik, die antwortet auf das Erzählte. Das mag zwar irgendwie erlösend sein, ist aber zugleich beklemmend. Brigitte Mohnhaupts (Nadja Uhl) Schluss- Mahnung: »Hört auf, sie zu sehen, wie sie nicht waren!« wurde hier nicht unbedingt befolgt.