TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Mode in Schwarz-Rot-Gold? Heikel, weil historisch vorbelastet. Das Umschneidern ehemaliger Bergmannskleidung? Auch heikel, weil Folklore-Verdacht. Eva Gronbach macht das. Trotzdem und gerade deswegen. Um das Tabu zu brechen und es neu zu definieren. Und ist damit meist ihrer Zeit voraus. Im Jahr 2000, lange bevor die deutschen Nationalfarben durch die Fußball-WM konsensfähig und mit neuer Leichtigkeit aufgeladen wurden, rumorte es in Eva Gronbach. Ein Ziehen in eine gewisse Richtung, genannt Heimweh. Da hatte sie bereits sechs Jahre im europäischen Ausland studiert und gearbeitet; in London, Paris und Brüssel, und in der dortigen Kunsthochschule »La Cambre« ihr Designstudium beendet.
Ihre Diplomarbeit ist eine Liebeserklärung an ihre Heimat, bewusst auf Französisch formuliert – »Déclaration d’amour à l’Allemagne« – und fotografiert im Gebäude der deutschen Botschaft. Da ist die deutsche Flagge noch Requisite; 2003 legte Gronbach die Kollektion »Mutter Erde Vater Land« nach, in der einzelne Stücke komplett in Schwarz-Rot-Gold gehalten sind und die Umrisse des Bundesadlers als Muster zitiert werden. Vorbild waren die Kollegen Yohij Yamamoto in Paris und John Galliano in London, bei denen Gronbach gearbeitet hatte – auch sie hatten bereits mit den Farben ihrer Flaggen experimentiert. Eva Gronbach hat für das Mode-Shooting eigens ein Casting mit internationalen Gesichtern veranstaltet, um ein neues und positives Deutschlandbild zu zeigen. Zudem entdeckte der Sender MTV die Kollektion und kleidete Markus Kavka oder Patrice damit ein. Die Teile sind so von Anfang an »politisch korrekt« und sorgen gleichzeitig für große Aufmerksamkeit in der internationalen Mode-Szene. Gronbach erzählt bei der Gelegenheit immer gern von Japanern, die in Berlin auf die Beflaggung des Reichstags deuteten und anerkennend fragten, ob das ihre Werbekampagne sei. »Die sehen gar nicht mehr Deutschland, die sehen die Farben als Stilmittel.«
Die »intellektuelle Hausbesetzung« hat funktioniert, zudem ist es Eva Gronbach gelungen, den »Tabubruch zu brechen«. Die Kollektion »my new police dress uniform« (2004/05) basiert auf einer Mischung aus Schwarz-Rot-Gold und Uniform-Ästhetik und wird durch ihr Logo personalisiert – ihr Name über einer raueren Version des Bundesadlers. Gronbachs Deutschlandbild ist geprägt von der Suche nach Kontrasten; Grobes trifft auf Romantisches. Der nächste Schritt ist der Verzicht auf plakative Farbgebung, hin zum scheinbar Groben: Für die Kollektion »Glück Auf« (2005) verarbeitet sie erstmals die monochromen Stoffe aus ehemaliger, im echten Arbeitsleben getragener Bergmannskleidung. Daraus entwickelt sich die Kollektion »german jeans« (2010/11), allesamt Unikate, denen man ihre Vergangenheit ansieht. Das frühere Weiß ist changierenden Grautönen gewichen, man erkennt Verfärbungen oder Abdrücke von Knöpfen. Durch das häufige Waschen hat der feste Baumwollstoff eine weiche, jeansartige Struktur bekommen, die sich wie Wildleder anfühlt.
Und sonst? »Ich flüchte gerade vor der Modeszene«, stellt Eva Gronbach fest und findet den Berliner Fashion-Hype »total unerträglich«. Stattdessen schafft sie Nachhaltigkeit auf sozialer Ebene, und wenn sie davon erzählt, spürt man ihre Begeisterung. Seit 2009 initiiert und leitet sie Modedesignkurse an Schulen im Ruhrgebiet, in denen Jugendliche mit Migrationshintergrund eigene Kleidungsstücke entwerfen. Ergebnis ist nicht nur hochkreative Mode, sondern auch das dadurch geweckte Selbstvertrauen und der gegenseitige Respekt voreinander. Für Eva Gronbach der Beweis, dass Mode mehr sein kann als pure Oberfläche, denn: »Die Zeit des Posens ist vorbei!«
Alle Kollektionen unter: www.evagronbach.com