TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Da liest man von einem »Lounge-Möbelarrangement«, hat vor dem geistigen Auge schon eine butterweiche Sitzflätzpolsterlandschaft in hipper Farbgebung, und dann fällt der Blick auf etwas, das an die eigene Schulzeit erinnert und das man seit der letzten Stunde Geräteturnen erfolgreich verdrängt hatte: stapelbare, oft zerkratzte Holzkästen, die die Flugbahn zwischen Trampolin und dicker Matte versperrten. Die Kästen, die zum Möbelsortiment des »Project Interior« gehören, tragen zwar den Namen »turnvatter«, haben aber nie eine Sporthalle von innen gesehen, sondern wurden als Sitzgelegenheiten für Clubs, Geschäftsräume und, wer es mag, für das private Wohnzimmer entworfen. Die Form ist dieselbe wie früher, das Holz aber ist edler, genauso wie die Sitzbezüge aus schwarzem und weißem Leder. Zudem lassen sich die Elemente des »turnvatterjan«, die als Ein-, Zwei- oder Dreisitzer erhältlich sind, flexibel zu immer neuen Kombinationen zusammenfügen.
Ein ungewöhnlicher Entwurf (Irold Janke), der aber gerade deshalb gut zum »Project Interior« von Christopher Baer passt. Der Wahl-Bochumer, der zurzeit auf der Suche nach einem Showroom ist, versammelt unter diesem Label extravagante Möbel und Lampen, die es fast nicht über das Stadium des Proto-Typen hinaus geschafft hätten und ihre Wurzeln im Handwerk haben. Baer versteht das »Project Interior« als Plattform, auf der er Produkte zusammenbringen kann, die ihn faszinieren, und die, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, eine Art Kollektion ergeben. Baer hat früher im Bereich der Eventorganisation gearbeitet, als Mittelsmann zwischen Agenturen und Ausführenden. Heute versteht er sich als »Förderer individueller Ideen«; neben dem »Project Interior« entwirft er Konzepte für die Innenausstattung von Geschäften und Restaurants, und ist mit »bigbaer« selbst in seiner Kollektion vertreten. »bigbaer« ist die übergroße, behaarte Version des klassischen Sitzsacks und besteht zur Hälfte jeweils aus Nappaleder und Schaffell und ist gefüllt mit 400 Litern Styroporkügelchen. »bigbaer« ist auch komplett in Leder erhältlich, wobei Baer darauf achtet, möglichst große Lederstücke zu verarbeiten, um überflüssige Nähte zu vermeiden, was zur Folge hat, dass man für einen Sitzsack zwei Kühe braucht. Ebenfalls von Baer ist das »leuchtende Holz« namens »Woody« – hier wird hauchdünnes Kieferfurnier auf Plexiglas aufgebracht, das später hinterleuchtet wird und sich in vielen Formen einsetzen lässt, von der Lampe bis zum Bar-tresen. In Zukunft will er mit »flüssigem Holz« arbeiten, einem Granulat, das sich in jede Form pressen lässt und zudem kompostierbar ist.
Das »Project Interior« lebt von der Abwechslung: »Meine Konstante ist die Variation!« sagt Baer mit Blick auf das Sortiment. Dort findet sich auch die Lampe »a’ 650 magni« (Henrik Andersen), die über Bewegungssensoren gesteuert wird und keinen Lampenschirm braucht, da das LED-Licht mit einer Linse einen Lichtkreis auf Wände projiziert. Die »bierbank« (Irold Janke) ist keine der handelsüb-lichen, klapprigen Bierzeltgarnituren, wie sie im letzten Sommer auf der A40 zum Einsatz kamen, sondern wagt eine Neuinterpretation. Aus jeweils zwei Metallelementen und einer Platte, mit einem genial einfachen Nut-System, entstehen Tisch und Bänke, die wohnzimmertauglich sind. Wem das Grün-Weiß zu sehr nach Fanmeile aussieht – kein Problem, die Platten lassen sich auch in anderen Farben beschichten. Minimalisierte High-End Lautsprecherboxen namens »liliput« und eine Roll-küche runden das Sortiment ab.