TEXT: MARTIN KUHNA
In welchem Jahr Karl auf die Welt kam, ist nicht endgültig geklärt. Sein bekannter Geburtstag, der 2. April, taugt mithin nicht so gut als Anlass für Rückblicke. Das geht besser mit seinem verbrieften Todestag: 28. Januar 814. Aus ihm ergab sich die Gelegenheit, gemäß etablierten Gedenkritualen 1200 Jahre später ein »Karlsjahr« zu begehen. Aachen als zentraler Ort drängte sich auf: Seine Lieblingspfalz hat Karl zur Residenz ausgebaut; dort ist er schließlich gestorben und bestattet worden. Dort wurden, Karls wegen, seit Otto I. (dem nicht ganz so »Großen«) bis 1531 fast alle römisch-deutschen Könige gekrönt.
Dass der große Karl Konkurrenz haben würde durch den 1914 ausgebrochenen »Großen Krieg«, war den Ausstellungsmachern natürlich bewusst. Aber daran ist nichts zu ändern. Für Aachen sei Karl überdies das wichtigere Thema, sagt Prof. Dr. Frank Pohle, als Kurator zuständig für den kulturgeschichtlichen Teil der Ausstellung: »Macht«. Doch gehe es bei der Karls-Ausstellung nicht um ein »lokales Pläsierchen«. Vielmehr habe Aachen sich beim Rückblick auf den europäischen Herrscher »in der Pflicht« gesehen.
1914, zum 1100-jährigen Todestag Karls, habe es Vergleichbares nicht gegeben, erzählt Pohle. Das damalige »Karlsjahr« sei in Aachen geprägt gewesen von Prozessionen und Predigten, von Karls religiöser Rolle als Heiliger. Dass er eine vor-deutsche Zeit repräsentierte und als »Charlemagne« auch von den französischen Erbfeinden beansprucht wurde, mag erklären, warum der politische Karl damals im Deutschen Reich nicht ausgiebig gefeiert wurde. Bezeichnenderweise gab es dann 1925 in Aachen (und Köln) eine patriotisch motivierte »Jahrtausend-Ausstellung«, welche zur Zeit der »schmachvollen« alliierten Rheinlandbesetzung aufs Jahr 925 zurückblickte: die Einverleibung des mittelfränkischen Lotharingien ins ostfränkische Reich als Meilenstein deutscher Geschichte.
Nach einem weiteren Weltkrieg sprach es für Karl, dass er nicht so sehr als Propagandafigur für deutsche Kontinuität von Mittelalter bis Wilhelm II. hatte herhalten müssen, dass er Nazis gar zeitweise als »Sachsenschlächter« und missionierender Volksfeind galt. So konnte er in Westdeutschland zur Symbolfigur des europäischen Gedankens werden; 1950 wurde in Aachen zum ersten Mal der »Karlspreis« vergeben. Diese Sicht präsentierte Aachen – ganz ohne kalendarischen Anlass – in der letzten großen Ausstellung zum Thema: Karl als Initiator Europas, Aachen als Europastadt im europaseligen Jahr 1965 des »EG-Fusionsvertrages«.
Wie damals die Entwicklung der Aachener Pfalz beschrieben wurde, das galt weithin bis heute als Stand der Erkenntnis, sagt Frank Pohle. Doch gebe es aus den letzten Jahren Forschungsergebnisse, auf deren Basis die aktuelle Ausstellung neue Blicke auf die Rolle der Aachener Pfalz werfen kann und damit auf den komplexen Prozess der »Sesshaftwerdung Karls«. Diese Geschichte erzählt der Ausstellungsteil »Macht« bei einem Rundgang durch den Krönungssaal des Aachener Rathauses.
Anfangs unterschied Karls Regierungsstil …
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»Karl der Große: Orte der Macht / Karls Kunst / Verlorene Schätze«. 20. Juni bis 21 September 2014, Krönungssaal des Rathauses, Centre Charlemagne, Domschatzkammer; Aachen. www.karldergrosse2014.de