Der Titel verheißt Heiner Müllersche Mythenverklebungen in die Leerstellen heutiger Sinnlosigkeit. Aber der Komponist Manos Tsangaris, noch künstlerischer Berater von Marc Günther am Kölner Schauspiel, nimmt die »Orestie« des Aischylos eher auf die leichte Schulter. Das Spielerische, medial Bewegliche, Versatzstückhafte, geistvoll Diskursive überwiegt beim Kagel-Schüler eindeutig gegenüber der archaisch drückenden Sphäre der Rachehandlung zwischen der Gattenmörderin Klytämnestra und ihren Kindern Elektra und Orest.
Tsangaris legt Fragmente der Handlung als Prozession und Stationenfolge an, variabel in der Reihenfolge. Im Kölner Museum für Angewandte Kunst wird Agamemnons Rückkehr aus Troja und die mörderische Intrige seiner Frau als Medientheater inszeniert: mit Show-Elementen und den von US-Kriegszügen bekannten Video-Fakes; die Bluttat selbst bleibt ausgespart. Markus John als aalglatt taktierender, aber selbst getäuschter Managertyp, Oda Pretzschner als schmallippige Klytämnestra und Agnes Mann als hohl raunende Kassandra leisten Ansprechendes. Doch schon geht’s weiter in den Schacht der U-Bahn-Haltestelle Dom/Hbf. Züge kommen und stoßen Fahrgäste aus, die der Elektra von Anja Laïs in die Arme laufen. Von ihr nimmt ein verhuschter Orest (Christian Beermann) den Mordauftrag entgegen. Und vor dem Showdown im Schauspielhaus (einer ziemlich zerfransten, bemüht ironischen Gerichtssitzung der Götter auf dem Areopag) darf Kate Strong als Verfolgerin des Orest noch ein brillantes Sprach- und Verrenkungssolo im gläsernen Verkaufsraum der U-Bahn-Passage hinlegen.
Anders als bei Heiner Müller mündet die Zergliederung der »Botenstoffe« oft in emotionale Harmlosigkeit. Zur Demonstration medialer Manipulation taugte anderes besser, die pausenzerklüftete Aufführung zieht sich. Allerdings gibt es auch höchst auratische Musik aus Lautsprechern, die Tsangaris zusammen mit Simon Stockhausen bearbeitet hat: ein elektronisch transformiertes Cellosirren, Schockklänge und Stimmengewirr, die kunstvolle Choreografie des Lichts. Da reißt die Aufführung dann doch zuweilen Horizonte auf. MSS