TEXT VOLKER K. BELGHAUS
Andere Designer wären wahrscheinlich längst größenwahnsinnig geworden, wenn ihre Entwürfe in Millionenauflage jahrelang in der Öffentlichkeit kursieren würden. Stefan Klein und Olaf Neumann hätten allen Grund dazu, besitzen aber zum Glück nicht den dafür nötigen Charakter. Stattdessen geben sich die Kommunikationsdesigner aus Iserlohn bescheiden und bodenständig. Neben der Gestaltung von Anzeigen, Büchern, Corporate Designs, Logos und Plakaten geht der Entwurf von Briefmarken, wie die allgegenwärtige Dauerserie »Blumen«, auf ihr Konto. Und die neue 5-Euro-Sammlermünze mit dem transparent-blauen Ring, die im April 2016 unter Medienrauschen vorgestellt wurde, stammt ebenfalls aus dem Büro »Klein und Neumann«.
Sie legen großen Wert darauf, in ihrer Arbeit nicht nur auf Marke und Münze reduziert zu werden. Das seien ihre »gestalterischen Steckenpferde« sagen sie, auf die sie zwar stolz sind, die aber im Alltagsgeschäft nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen. Um vom Briefmarken-Entwurf leben zu können, müssten sie wahrscheinlich jede Woche ein Wertzeichen gestalten. Wer wann welche Briefmarken kreieren darf, ist in Deutschland amtlich und komplex geregelt. Auftraggeber ist das Bundesfinanzministerium, in dessen Programmbeirat Regierungsvertreter, Ministeriumsmitglieder, Vertreter der Deutschen Post, Briefmarkensammler und Designer sitzen. Der Beirat wählt jährlich potenzielle Themen aus, von denen 20 bis 30 offiziell ausgeschrieben werden. Der nächste Schritt ist die Auswahl der Designer – über 100 sind in einem »Grafikerpool« vertreten. Davon bleiben pro Marke und Thema lediglich acht bis zehn übrig, die Entwürfe einreichen. Über den endgültigen Zuschlag entscheidet der Kunstbeirat des Ministeriums; der amtierende Finanzminister gibt die Freigabe. Für die Designer ist die Sache mit der Gestaltung der Marke aber noch nicht getan, die Entwürfe von Briefmarkenblöcken und Stempel für den Erstausgabetag gehören ebenfalls dazu.
Stefan Klein und Olaf Neumann stecken noch mehr Arbeit rein als gefordert – von den 40 Blumenmotiven der Dauerserie haben sie 39 selbst fotografiert. Das Foto der Moselschleife bei Kröv, die eine Doppelbriefmarke aus der Serie »Deutschlands schönste Panoramen« ziert, ist ebenfalls Eigenproduktion. Natürlich muss man bei der Gestaltung von Briefmarken gewisse Dinge beachten: dass die Schriftgröße lesbar ist, dass die Gestaltung nicht zu kleinteilig wird. Alles halb so wild, sagt Neumann, schließlich sei »eine Briefmarke auch nichts anderes als ein sehr kleines Plakat«. Beim Entwurf der 5-Euro-Münze war das völlig anders, da prasselte es strenge Vorgaben en masse. Der Fertigungsablauf, Maße und Materialauswahl sind penibel geregelt. Normalerweise wird beim Münzentwurf ein Gipsmodell in zehnfacher Größe gefordert, in ihrem Fall war erstmals ein 3D-Rendering zu erstellen. Kein Wunder, selten wurde eine Münze so aufwendig produziert, allein die Forschung dauerte acht Jahre. Die Besonderheit ist ein halbtransparenter, blauer Polymerring, der die stilisierte Weltkugel in der Mitte, die sogenannte »Pille«, wie Atmosphäre umgibt. Der Ring beginnt zu leuchten, sobald man die Münze gegen das Licht hält. Auf dem äußeren Ring ist das Weltall mit seinen Planeten dargestellt. Das Geldstück hat eine Auflage von 2.250.000 Stück, wegen der Nachfrage bei Sammlern und den Schlangen am Erstausgabetag, ist die Chance aber dennoch eher gering, das gute Stück beim Supermarkteinkauf im Wechselgeld zu finden.
Klein und Neumann haben sich Mitte der 1990er Jahre während des Kommunikationsdesign-Studiums an der Bergischen Universität Wuppertal kennengelernt und sich schnell selbstständig gemacht. Einige ihrer ersten Kunden konnten sie bis heute halten. Über 20 Jahre Treue ist in der schnelllebigen Branche äußerst selten. Kaum ist ein Corporate-Design und Logo über mehrere Jahre eingeführt, muss etwas Neues her, weil die Verantwortlichen gewechselt haben. Die Entsorgungsbetriebe Solingen gewannen die Studenten im Rahmen eines Semesterwettbewerbs als Kunden; das Erscheinungsbild der Abtei Königsmünster in Meschede war 1998 ihre gemeinsame Diplomarbeit. Bis heute werden die Mönche von Klein und Neumann visuell betreut – vom Jahresbericht bis zur Einkaufstüte aus dem Abteiladen.
Momentan arbeiten die Zwei an der Gestaltung der Wanderausstellung zum 70. Landesjubiläum Nordrhein-Westfalens im August. Auftraggeber sind die Stadt Düsseldorf, das Landesarchiv und die Staatskanzlei NRW, wo die Ausstellung auch zum ersten Mal zu sehen sein wird. Das Design für die Sonderausstellung »Luther. 1917 bis heute« im Kloster Dalheim bei Paderborn (ab November 2016) stammt ebenfalls von ihnen, dazu die passende Farbpalette in den Tönen »Pfingst-Rot«, »Hoffnungs-Grün« und »Bußzeiten-Violett«.