TEXT: ANDREAS WILINK
Dieser Roboter, der keinen Namen trägt, ist das Gegenmodell zu HAL, dem Bordcomputer aus Stanley Kubricks »Odyssee« von 1968, deren damals utopisch-prognostisches Datum schon um ein Jahrzehnt überschritten wurde. In nicht allzu ferner Zukunft und einer etwas »erweiterten Realität« spielt »Robot und Frank«. Während HAL (man lese jeweils einen Buchstaben weiter und komme auf: IBM) alles daran setzt, sein Hirn bzw. seine Speicherkapazität vor dem menschlichen Zugriff zu bewahren, ermuntert der Roboter in Jakes Schreiers Film seinen Herrn und Freund geradezu, den Löschvorgang zu betätigen. Denn sein Festplatten-Wissen könnte Frank gefährlich werden. Aber der Reihe nach.
Frank (ganz wunderbar und von Shakespeare-Format: Frank Langella) verliert sein Gedächtnis. Er fällt langsam aus der Zeit, und das nicht nur, weil er immer noch altmodisch die öffentliche Bibliothek besucht, die gerade elektronisch yuppiemäßig aufgerüstet wird, und dort die angestellte Jennifer (Susan Sarandon) trifft, die ihm seltsam vertraut scheint. Er vergisst, dass sein Sohn Hunter längst nicht mehr in Princeton
studiert oder sein Lieblingsrestaurant einem Beauty-Shop gewichen ist. Hunter, der wöchentlich bei ihm vorbeischaut, während Tochter Madison vor allem mit ihm skypet, bringt seinem Vater einen perfekt präparierten Roboter mit – zugleich Butler, Putzmann und Pfleger. Sehr zum Unwillen Franks, der sich nicht einengen und bevormunden lassen will. Frank hat Vergangenheit – als Fassadenkletterer und Juwelendieb führte er ein Doppelleben. 16 Jahre saß er hinter Gittern.
Nun gewöhnt er sich an seinen künstlich intelligenten Partner im kunststoffweißen Chassis. Der kocht vegetarisch, hegt den Garten, putzt und betreut ihn medizinisch. Vor allem aber stimuliert er Frank mental, fördert dessen »Projekte« und assistiert ihm (mit übergeworfenem Mantel, so dass er an »E.T.« erinnert) bei neuerlichen Raubzügen in moralischer Absicht. Ihre Hartware ergänzt sich dabei ideal. Die Geschichte ist im selben Atemzug lustig und traurig, leicht, anmutig und anrührend, sie braucht keinen Überbau, um – rein narrativ – den Grenzbereich des Lebens und des Sterbens zu erfassen: ohne Bitternis, aber (musikalisch begleitet vom einem Requiem) wehmutsvoll. Eine der erfreulichsten Entdeckungen im Independent Kino seit langem.
»Robot & Frank«; Regie, Drehbuch: Jake Schreier; Darsteller: Frank Langella, Susan Sarandon, James Marsden, Liv Tyler, Peter Sarsgaard; USA 2012; 89 Min.; Start: 25. Oktober 2012.