Im Prinzip bekennen sich unsere Intendanten ungern zur »Fledermaus«, diesem cheval de bataille aller Operetten. Wenn sie sie dennoch aufführen, lassen sie Regisseure ans Werk, die es »eigentlich nie besonders interessant« fanden. Nun könnte man den saloppen Satz des Choreografen und Regisseurs Joachim Schlömer durchaus als produktive Basis seiner Inszenierung an der Bonner Oper verstehen.
Und wirklich beweist seine Lesart zur Ouvertüre Eigenheit, wenn die Bühne gruftschwarz und friedhofsleer erscheint. Eine Tänzerin, derangiert bis auf ihren Glitzer-BH mit Sternenbanner, taumelt und zuckt. Da tritt aus der Kulisse ein Hüne mit Cowboyhut und Pelzmantel, packt die Kleine und führt sie ihrer Bestimmung zu. Der Prinz Orlofsky (Louis Gentile) einmal nicht als androgyner Libertin, sondern als stämmiger Zeremonienmeister billigen Plaisirs. Die Botschaft im Wien von heut’ ist klar: Dauer-Amüsement als letzte Rettung vor dem universalen Stillstand. Leider glaubt Schlömer weder an Rausch noch Tod, nur an die Fadheit des Lebens. Um die Dialoge abzukürzen, hat er den Gefängnisdirektor Frank zum Conférencier im Dinner-Jackett umfunktioniert, vom Bariton Otto Katzameier mit dem gebotenen Schmäh gespielt. Die Rache- und Verwechslungskomödie um das ermüdete Ehepaar Eisenstein spult als witzarmes Kammerspiel im neureichen Spießermilieu ab. Auch wenn von Daniel Ohlmann (Eisenstein) und Donát Havár (Alfred) gut, von Julia Kamenik und Anna Virorovlansky sogar sehr gut und koloraturenfest gesungen wird, ist alles nur noch Zitat des Zitats: Sexismus, Walzerrausch, Katerstimmung.
Die schönste Idee stammt vom Bühnenbildner Jens Kilian: Als Symbol lauernder Lüste erhebt sich ein riesiger Flokatiteppich voll rosiger, geil wogender Zotteln. Wenn sich nur das Beethoven-Orchester unter Roman Kofman ein bisserl von dessen Farbigkeit und Sinnlichkeit inspiriert gefühlt hätte. MSS