Warum macht der Mann das? Er, 33, beruflich erfolgreich (vielleicht), möchte heiraten (wahrscheinlich). Aber vorher noch seine Vergangenheit in Ordnung bringen (sagt er). Sicher ist: Er hat sich mit vier von zahlreichen (gibt er vor) Ex-Geliebten in Hotelzimmern in vier Städten der USA verabredet, um »reinen Tisch zu machen«. Denn alle vier Frauen hat der Mann Knall auf Fall verlassen.
Allerdings inzwischen über die Love Stories auch einen drastischen Artikel veröffentlicht, womit ein starkes Indiz vorliegt, dass der Mann (Schriftsteller?) die Liebe und die Frauen als Material begreift. Auch jetzt? Denn es ist reichlich abwegig, 15 (14, 13…) Jahre später eine Verlassene zu fragen, ob man ihr bei der Verlustbewältigung »irgendwas helfen kann«. Und als abwegig empfinden die Frauen dies in der Tat: unterschiedliche, aber allesamt lebenstüchtige Wesen, die sich vom Kern ihrer Liebesgeschichte mit diesem Mann etwas bewahrt haben: Sam (Seattle) den Romeo-und-Julia-Traum, Tyler (Chicago) den guten Sex, Lindsay (Boston) die ehebrecherische Gefahr, Bobbi (Los Angeles) die Angst, nicht sie, sondern ihre Zwillingsschwester sei die Begehrte gewesen. Sie alle empfinden noch ein bisschen Respekt vor dem gemeinsamen Damals und ein bisschen Zuneigung zu dem Mann; der hingegen zeigt nur knabenhafte Zerknirschung. Sie haben sich kleine Einzelheiten bewahrt; er erinnert kaum das Wichtigste. So treffen sie aufeinander und selbst im engen Hotelzimmer aneinander vorbei: Mann und Frau, von denen diese Namen tragen und jener keinen hat, also Typus ist: in Neil LaButes jüngstem Stück »Some Girl(s)«, in Deutschland erstaufgeführt am Essener Grillo-Theater.
Dass auch die Frauen musterhaft agieren, zeigt nicht nur das Spiel mit dem Plural-S, sondern auch der allen innewohnende Wunsch, dem Sitzenlasser noch irgendetwas zu bedeuten. Männliche Bindungsangst, weibliche Bindungssucht; und eine Handvoll gelungener Monologe – mehr ist »Some Girl(s)« nicht und liegt damit weit entfernt von der Abgründigkeit und Vielschichtigkeit früherer Stücke wie »Bash« oder zuletzt »Wie es so läuft« (vgl. K.WEST 6.2006). Das Komödienhaft-Boulevardeske allerdings wird von der Regie Annette Pullens noch verstärkt, die Inkompatibilität der Geschlechterstrategien durch Phantasieszenen der Gemeinsamkeit gemildert. Vielschichtigkeit vermögen auch nur Judith van der Werff (Lindsay) und Sabine Osthoff (Bobbi) ihren Frauen zu geben; und bis zum Schluss weiß man nicht nur nicht, warum Mann das alles macht (was okay ist). Sondern auch nicht, ob Günter Franzmeier einen Kerl aus lauter Stereotypen spielen soll oder nur über Stereotypen verfügt. Was nicht okay ist. UDE