Bei der Biennale der urbanen Landschaft, die vom 10. bis 24. September im Wissenschaftspark Gelsenkirchen an der Schnittstelle von Stadt und Land agiert, zählt ihr Fotoprojekt »Mapping the City« zu den Highlights. Tania Reinicke und Ekkehart Bussenius erkunden am Beispiel von asiatischen Megacitys und der Metropole Ruhr, wie Stadtplanung und Architektur den Alltag der Menschen vor Ort prägen. Und ob die Stadt von morgen eine gigantische Wohlfühloase ist – oder ein Alptraum.
»Mit unserer Foto-Installation bespielen wir im Wissenschaftspark eine 10 mal 14 Meter hohe Wand«: Nicht nur wegen dieser Dimensionen ist Tania Reinicke zuversichtlich, dass ihr Beitrag zur Biennale der urbanen Landschaft ein großes Ding wird. Gemeinsam mit ihrem Mann Ekkehart Bussenius betreibt sie in Gelsenkirchen, Zeche Holland I/II, das Büro Bussenius & Reinicke. »Konzept . Fotografie . Design«, so lautet das Motto des Duos, das seit rund 20 Jahren für verschiedene Kunden und Institutionen »visuelle Konzepte« erarbeitet und »Kommunikationsräume« erschließt. Vom Ruhrgebiet aus erstreckt sich ihr Radius bis Hongkong, Shenzen oder Tokio.
Die Städte der Zukunft faszinieren sie. Wegen des rasanten, gnadenlosen Wachstums dieser Retortengebilde werden laut Prognosen von Experten in Zukunft drei Viertel aller Menschen in solchen urbanen Knotenpunkten leben. China ist Vorreiter dieser Entwicklung zur Megacity. Einer der Gründe, weshalb Tania Reinicke seit 2001 wiederholt im ausufernden Reich der Mitte war. Ihre Recherche-Reisen als »Ruhr Residence«-Stipendiatin führten die Fotografin, die am Institut für Visuelle Kommunikation der HBK Braunschweig lehrt, unter anderem in die südchinesische Boomtown Shenzen. Vom nahegelegenen Hongkong aus reiste sie mit dem Hochgeschwindigkeitszug dorthin. »Shenzen hat mich deswegen interessiert, weil es eine Stadt ist, die aus einem winzigen Fischerdorf in den 70er Jahren zu einer wahnsinnigen Metropole geworden ist«, erzählt Tania Reinicke. »Das hat auch räumliche Konsequenzen.«
Ihre fotografischen Streifzüge durch den am Perlfluss gelegenen 17-Millionen-Moloch unternahm sie per pedes. In einer von Beschleunigung geprägten Umgebung, wo sich kaum noch jemand Zeit für einen Spaziergang nimmt, wurde sie als Exotin bestaunt. »Dass ich zu Fuß eine solche Stadt erkunde, ist eigentlich nicht mehr vorgesehen. Es gibt gar nicht die Wege dafür.« Die schrittweise Raumerforschung spielt eine wichtige Rolle beim Projekt »Mapping the City«. Mehr als 250 Skyscraper, Themenparks, Vergnügungsviertel, neue Parks – alles ist im »Silicon Valley Chinas« auf atemlos getrimmt. Tania Reinicke hält dagegen, durchleuchtet das fernöstliche Babylon wie mit Röntgenstrahlen und erschafft Momentaufnahmen, die Bestand haben. »Die Chinesen«, sagt Reinicke, »nehmen Shenzen als Idealbild wahr. Für mich ist es die Horrorvision einer Stadt. Diese Stadt hat auch kein Profil. Anonyme Wolkenkratzer geben keine Möglichkeit der Orientierung im Raum.« Auch andere Handicaps erschweren die Arbeit: »Ich wurde rund um die Uhr kontrolliert. An jeder U-Bahnstation muss man seinen Rucksack zur Kontrolle aufmachen. Man befindet sich in einem Überwachungsstaat.« Überhaupt habe sie »noch nie eine Stadt gesehen, in der so viele Kameras stehen«.
»Mapping the City«, zuvor unter anderem in der Kunsthalle Recklinghausen und im Kunsthaus Essen zu sehen, präsentiert sich bei der Biennale der urbanen Landschaft in Gelsenkirchen in modifizierter Form. Kein Wunder, handelt es sich bei dem urbanen Bildatlas doch um ein Work in progress. Die Impulse, die Bussenius & Reinicke mit ihrer Foto-Installation vermitteln, sind für das vom Strukturwandel geprägte Ruhrgebiet von besonderer Relevanz. »Wie und wo entstehen neue Räume, und wie werden sie genutzt? Welche möglichen neuen Formen der Ökonomie sind sichtbar? Welche Zeichen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind visuell ablesbar?« Wer den Ballungsraum an Rhein und Ruhr mit solchen Fragen im Hinterkopf (erneut) sondiert, lernt mehr über Urbanismus als in jeder Vorlesung.
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Die Website zum Projekt »Mapping the City« findet sich hier:
https://www.mappingthecity.de/
Bussenius & Reinicke im Internet:
https://www.busseniusreinicke-fotografie.de/