TEXT: ULRICH DEUTER
Kalt und starr ragt im Hintergrund der Umriss eines großen Hauses, vermutlich das Schloss des alten Grafen Moor. Eine Silhouette, addiert aus schmalen Stahlstaketen, die sich im Mittelgrund fortsetzen, wo sie, schachbretthaft verteilt, wohl den Wald der Räuber symbolisieren und leuchten können, wenn jemand schreit. Also oft. Andererseits ähnelt dieser Lampenwald der Möblierung eines Kleinstadtplatzes und das Moor-Haus dahinter dem Prospekt einer Kirchenorgel, womit es Sinnbild einer Inszenierung ist, die sämtliche Register zieht. Besser gesagt, die an all den Registern zerrt, die Dröhnen, Stampfen, Geschrei erzeugen. Auf den Manualen spielen die Ellbogen die Melodie.
Gewiss muss es in Schillers »Räubern«, die hier am Bochumer Schauspielhaus aufgeführt werden, kraftmeierisch zugehen, aber aus Gründen! Von diesen Gründen sind nur Gründchen da. Oder welchen Konflikt könnte es zwischen einem Sohn geben, Franz, der in einem marmorierten Anzug herumstampft, und einem Vater, Graf Maximilian Moor, der Butoh oder Tai Chi schattentanzt, während er in einem weißen Röckchen steckt und ihm ein Bündel Fahrradspeichen aus dem Rücken ragt? Doch höchstens den Konflikt zwischen Stein und Eisen. Dabei regt sich unter dem Marmorimitat immer wieder etwas, das Figur werden will: Es ist der Schauspieler Florian Lange, der durchaus das Zeug hätte, diesem frühen Kleinfamilienkonflikt der deutschen Psycho- und Dramengeschichte, diesem Brudervaterkonkurrenzkrieg, dieser grausamen Versuchsanordnung für zwei Extremcharaktere zu theatralischer Gestalt und Wahrheit zu verhelfen.
Doch die Regie wünscht keine Intensität, sie will überwältigen. Unzweifelhaft, dass etwa die Gleichung Räuber = Punker gesetzt wird. Der Furor von Karls Outlaw-Bande (zu der qua Outfit auch Amalia zählt) gilt nichts; außer dem Bemühen, die Klischees testosterongesteuerten Jungmännertums zu erfüllen, vom nackten ganztätowierten Oberkörper bis zum Griff in den eigenen Schritt. Gewiss wird man Jan Klata, den Regisseur, und seine Bühnenbildnerin Justyna Łagowska dermaleinst als Erfinder des Brachialsymbolismus feiern.