Sie sitzen um einen langen Holztisch und saufen: sieben Männer, eine Frau. Ab und an balanciert eine Kellnerin den Nachschub herein: Bier, Wein, Schnaps. Die Tafel erinnert ans »Letzte Abendmahl«, die grimme Sauflust an Auerbachs Keller, zumal die Zecher ein Trinklied aus »Faust« singen, komplett mit allen Strophen. Nein, die hier Versammelten sind gebildet, in traditionellen Kulturtechniken versiert. Und auch wenn mal einer, alkoholbedingt, vom Stuhle kippt, so sitzen sie doch alle fest im Sattel sicherer Lebensverhältnisse. Not schafft nur das Durcheinandersaufen, das die bekannten Folgen hat.
In der Tat, Roland Schimmelpfennig hat mit »Ambrosia« ein Stück geschrieben, das nichts als einen Saufabend zum Inhalt hat. Es malt, teils genüsslich, die Fahrigkeit Betrunkener aus, ihre Bereitschaft zu Entgleisung und Aggression, ihre Neigung zu großen Worten. Aber es torkelt da nicht hindurch, es schafft kühle Distanz und baumeisterliche Ordnung mit den Mitteln knapper, schneller Dialoge – was die Uraufführungs-Inszenierung Anselm Webers leider kaum in entsprechendem Tempo und mit der nötigen Verzahnung umsetzen kann. Zwar sitzen auf der Bühne des Grillo-Theaters im düsteren Saale (Jörg Kiefel) alle dicht an dicht, doch zwischen den Sätzen klaffen die kleinen, zu großen Pausen, und wenn einer redet, wissen die andern nicht, was tun. Folge ist, dass immer wieder der Spannungsbogen bricht und sich leere Bedeutung verbreitet – anstatt dass das Nichts zu ahnen wäre, an dessen Rand man sich trinkend klammert. Denn »Ambrosia« ist mehr als das Protokoll eines Besäufnisses. Es will nicht nur einen Haufen Spießer demaskieren (das kann i.Ü. Brechts »Kleinbürgerhochzeit« immer noch besser), es lässt sein Personal und uns eine Bedrohung spüren, die nie genannt wird. Denkt man an Leonardo, fehlt im Bild der Gottessohn; denkt man an Goethe, fehlt der Teufel. Mag also sein, dass die Angst herrscht, der eine oder der andere käme zur Tür herein. (2.10., 22.10., 29.10.2005, Grillo-Theater Essen) | UDE