Lennep – vielleicht muss man Lennep nicht kennen. Zwar wurde der berühmte Strahlenmann Carl Wilhelm Röntgen dort geboren, doch hat die Stadt, wie so viele andere, 1929 ihre Unabhängigkeit verloren und kam zu Remscheid. Behalten hat sie ihre wunderschön authentische Altstadt, eine Perle des Bergischen Landes, und deshalb sollte man Lennep doch kennen. Inmitten dieser Altstadt, gleich neben Kirche und Röntgenmuseum, in der Martinsgasse 4, stellt Volker Platte eine bergische Spezialität her, die in ganz Europa einen guten Klang hat: Cembali.
Zugegeben: Diese Spezialität hat noch keine jahrhundertelange Tradition. Doch immerhin gibt es Instrumentenbau schon seit sehr langer Zeit im Bergischen – man denke nur an Ibach, die älteste Pianofortemanufaktur der Welt, 1794 im heutigen Wuppertal gegründet und seit dem Krieg nebenan in Schwelm zuhause. Ibach hatte einst auch ein Cembalo im Programm. Diese Tradition wurde 1955 erneuert, als der in Süddeutschland ausgebildete Cembalobauer Martin Sassmann sich in Lennep einen Traum erfüllte und seine eigene Werkstatt eröffnete. Später zog der Betrieb nach Hückeswagen, expandierte und bildete zahlreiche junge Leute aus. Vier (!) haben jetzt ihre eigenen Betriebe im Bergischen; einer davon ist Volker Platte.
Er hat sich in einem alten Fachwerkhaus etabliert, einer ehemaligen Schreinerei. Überall Holz. Ein alter Kanonenofen. Der Meister stopft sich zum Gespräch erst mal eine Pfeife mit Tabak aus einem Lederbeutel. Wir sitzen neben einem fast fertigen, zweimanualigen Cembalo mit reicher, barocker Verzierung.
Höchstens vier Instrumente pro Jahr baut Volker Platte in seiner Einmann-Werkstatt – aus nicht viel mehr als ausgesuchtem Holz und handgefertigtem Saitendraht aus England.
Man will gerne glauben, in diesem Raum sei die Zeit stehengeblieben. Aber das wäre ein Irrglaube.Denn Volker Plattes Werkstatt ist gewissermaßen ein Ergebnis des Strukturwandels. Als das Cembalo im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurde, baute man neue Instrumente in Serie nach den Methoden modernen Klavierbaus.
»Die klingen sehr metallisch-flirrend«, sagt Platte, »wie in der Titelmusik zu den Miss Marple-Filmen.« Inzwischen hat man sich auf den »blühenden Ton« (so Platte) der Cembali im alten Stil besonnen, was durch den allgemeinen Trend zur historischen Aufführungspraxis noch verstärkt wurde. Der individuelle Nachbau alter Instrumente aber ist die Stärke von Kleinstbetrieben, wie die von Volker Platte und seinen bergischen Kollegen.
Platte legt großen Wert auf das Wort Nachbau: »Ich mache keine Kopien«, sagt er, »sondern freie Nachbauten.« Auch insofern hat das Gefühl von der stehengebliebenen Zeit getrogen. Wenn Platte sich das Instrument eines barocken Meisters zum Vorbild nimmt, so lässt er schon Veränderungen und Verbesserungen einfließen, wie sie Spieler im heutigen Musikbetrieb benötigen. So wird, zum Beispiel, der Tonumfang eines alt-italienischen Instruments so erweitert, dass es nicht nur für die typisch italienische Literatur jener Zeit geeignet ist. Insofern ist auch der bergische Cembalobau eine typische Erscheinung des verbreiteten bergischen Tüftel- Sinns. Reich wird einer wie Volker Platte damit kaum. Doch gibt er gern zu, dass er sich, wie sein Vorgänger Saßmann, in Lennep einen Traum erfüllt hat.
Der Meister baut für Sammler, für Laien wie für Berufsmusiker. »Gespielt werden« sei aber allemal das beste, was seinen Instrumenten passieren könne, sagt Volker Platte. Und damit bergische Cembali auch im Bergischen nicht bloß innerhalb der Werkstattwände klingen, haben die vier Hersteller sich mit der evangelischen Kirchengemeinde zusammengetan und die Lenneper Cembalo Tage ins Leben gerufen. Mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Helfer und Sponsoren fand dieses kleine, aber feine Festival 2006 schon zum vierten Mal statt: Konzerte, Instrumentenschau und Workshops zum Stimmen eines Cembalos und zur komplizierten Wartung, samt dem Aufziehen einer Saite und dem Schneiden der zupfenden Kiele: »Skalpell mitbringen!« – ein Cembalo ist halt kein Klavier.