TEXT: LARS WALLERANG
Mal eben nach New York in die Met oder zu den Opernhäusern in London und Paris, um aktuelle Produktionen zu erleben – dazu bedarf es keiner weiten Anreise: UCI-Kinos bringen Opern- und Ballett-Aufführungen aus den Metropolen auf die Leinwand. Die Besucher erleben zwar nicht die Live-Atmosphäre, können aber modernste Klang- und Bildqualität genießen und müssen sich keine Gedanken über die Garderobe machen.
Wagners Bühnenweihfestspiel »Parsifal« kommt mit seinem Karfreitagszauber passend zur Passions- und Fastenzeit am 2. März aus der Met. Jonas Kaufmann, der sich immer mehr zum tenoralen Wagner-Helden entwickelt hat, singt die Titelpartie. Prominent besetzt sind auch die weiteren Rollen mit Peter Mattei (Amfortas), René Pape (Gurnemanz) und Katarina Dalayman als Kundry. Regie führt der Kanadier François Girard, Daniele Gatti leitet das Orchester des Hauses. Für sein letztes Bühnenwerk, dessen Musik zwischen religiöser Strenge und geheimnisvoller Gefühlstiefe oszilliert, wählte Wagner einen christlichen Inhalt. Phänomene wie das Mitleiden und Gewaltverzicht stehen im Mittelpunkt. Parsifal verwandelt sich vom »reinen Toren« zum Heilsbringer für eine am Abgrund stehende Gralsrittergesellschaft.
Georg Friedrich Händels italienischsprachige Barock-Oper »Giulio Cesare in Egitto« bietet ebenfalls die Met am 27. April. Die virtuose französische Koloratursopranistin Natalie Dessay verkörpert die Pharaonin Cleopatra; die Rolle des Julius Cäsar hat der US-amerikanische Countertenor David Daniels. Das Stück, reichlich gefüllt mit antikem Pomp, behandelt die Macht- und Liebes-Beziehung zwischen der ägyptischen Königs-Schwester und dem römischen Feldherrn. Händels Dramma per musica gehört zu den grandiosen Kastraten-Opern, deren Titelfigur ein männlicher Sopran oder Mezzosopran verkörpert. Die ausdrucksvollen Arien sowie die farbenreiche Instrumentierung machen »Giulio Cesare« zu einer von Händels erfolgreichsten Opern. Am berühmtesten ist Cäsars gleichnishafte Ritornell-Arie »Va tacito e nascosto« über das stille, verborgene Tun eines schlauen Jägers.
Das Königliche Ballett des Royal Opera House in Londons Covent Garden tanzt am 28. März Christopher Wheeldons’ Choreografie zu Lewis Carrols’ »Alice im Wunderland« (Live-Übertragung). Die Musik schrieb der englische Komponist Joby Talbot (geb. 1971). Bekannt wurde er durch seinen in der Art von Musicals komponierten Soundtrack zum Science-Fiction-Film »Per Anhalter durch die Galaxis«. Wheeldons & Talbot nähern sich der Märchenhandlung mit Respekt vor dem Original, das die (auch sexuell interpretierbare) Traumwelt eines Mädchens aufblättert. Alice begegnet allerlei, auch sprechenden Tieren, darunter das berühmte weiße Kaninchen, das auf eine Uhr starrt und meint, es komme zu spät, und die Grinsekatze. Das im viktorianischen Großbritannien entstandene Kinderbuch enthält nicht zuletzt satirische Anspielungen auf Schullektionen der damaligen Zeit.
Ebenfalls an der Themse gibt Placido Domingo im April sein Debüt in der Titelrolle von Verdis Oper »Nabucco«. Machte Domingo einst Weltkarriere als Belcanto-Tenor, unternahm er unlängst den Fachwechsel zum Helden-Bariton. Die Aufzeichnung läuft am 29. April, wenige Tage nach der Premiere. Regie führt Daniele Abbado, Sohn des Dirigenten Claudio Abbado. Am Pult steht aber ein anderer Kapellmeister: Nicola Luisotti. Verdis frühe Oper über den kriegerischen Babylonier-König Nebukadnezar (kurz: Nabucco) wurde durch den rhythmisch beschwingten Gefangenenchor zum Welterfolg und machte den Komponisten über Nacht berühmt. Nach der erfolgreichen Uraufführung in der Mailänder Scala 1842 wurde die Melodie zum Gassenhauer – und zur gewissermaßen inoffiziellen Nationalhymne.
Mit Gioacchino Rossinis selten gespielter Oper »La Donna del Lago« (Die Dame vom See) folgt am 27. Mai wieder eine Live-Übertragung aus London. Zwei Stars des virtuosen Belcanto, Tenor Juan Diego Flórez (Umberto) und die Mezzosopranistin Joyce DiDonato (Elena) sind die Protagonisten in Rossinis ungemein opulenter Oper nach einer Dichtung von Sir Walter Scott. Es geht um die schöne Unbekannte Ellen, in die sich der schottische König Jakob V. verliebt, sich ihr inkognito nähert, aber nicht erhört wird. Zudem entstammt die Lady der feindlichen Douglas-Familie und hat schon einen Verlobten. Es kommt zu emotional aufgeladenen Verwicklungen – wie gemacht also fürs italienische Musiktheater.
An der Opéra Bastille Paris choreografiert John Neumeier die Dritte Symphonie von Gustav Mahler. Am 18. April wird die Ballett-Aufführung live übertragen. Der Amerikaner und Wahl-Hamburger Neumeier beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Mahlers Symphonien und verbindet die Tonsprache inhaltlich mit der Biografie des Komponisten. Die Walzer, Ländler und Märsche der Mahler-Musik sind geradezu prädestiniert für den Tanz. Doch auch für ruhig fließende Sätze findet der 71-jährige Choreograf seine stets hoch ästhetisch formulierte Körpersprache.
Aus der Oper im prächtigen Pariser Palais Garnier wird am 22. April Engelbert Humperdincks Märchen-Oper »Hänsel und Gretel« ebenfalls live übertragen. Trotz seiner volkstümlichen Kinderlieder ist das Stück eine große romantische Oper auch für Erwachsene. Der einstige Assistent Wagners orientiert sich stilistisch hörbar an seinem Mentor, findet dennoch zu einem eigenen Orchesterklang, der manchmal wie verwunschen wirkt. In ironischer Anspielung auf den »Parsifal«, an dessen Partitur Humperdinck mitarbeitete, bezeichnete der Komponist selbst »Hänsel und Gretel« einmal als »Kinderstuben-Weihfestspiel«.
Amilcare Ponchiellis »La Gioconda«, der Oper, in der Maria Callas einst ihren internationalen Durchbruch hatte, überträgt die Bastille-Oper am 13. Mai live auf die Leinwände. Die aus Litauen stammende dramatische Mezzosopranistin Violeta Urmana gibt die venezianische Straßensängerin Gioconda. Macht und Liebe, Opfer und Verrat, Gift und Rache im Venedig des 17. Jahrhunderts. Neben den teils dramatischen, immer belcantistischen Arien und Duetten befindet sich ein heiteres Ballett in der Oper, dessen Musik von Orchestern gern als Zugabe im Konzertsaal gespielt wird: »Tanz der Stunden«.
Met, New York: »Parsifal« (2. März, 18 Uhr); »Giulio Cesare in Egitto« (27. April, 18 Uhr)
London Covent Garden: »Alice im Wunderland« (28. März, 20.15 Uhr), »Nabucco« (29. April, 20.15 Uhr), »La Donna del Lago« (27. Mai, 19.45 Uhr);
Opéra de Paris: Mahler / Neumeier (18. April, 19.15 Uhr), »Hänsel und Gretel« (22. April, 19.15 Uhr), »La Gioconda« (13. Mai, 19.15 Uhr).