// Eine Frage vorweg: Braucht ein Hund einen Designer-Napf aus edlem Schichtholz mit zwei Edelstahlschüsseln, der sich »dogBar« nennt? Der Hund nicht, Herrchen aber wahrscheinlich schon. Anders ist der Erfolg der »dogBar« wohl nicht zu erklären. Schöner fressen und schöner wohnen – hier wächst zusammen, was zusammen Gassi geht. »Feeding with taste« heißt denn auch der Slogan zum Napf, und Geschmack bewies auch die Hollywood-Schauspielerin Sarah-Jessica Parker, die ihre Agentin ein Exemplar für ihren Doggie ordern ließ.
Manchmal scheint es Jiri Massimo René Katter, Jahrgang 1971, selbst nicht fassen zu können, welche Eigendynamik seine Ideen und Produkte entfaltet haben. Er sitzt in seinem »Showroom« in einer abgelebten Sitzgarnitur aus Cord und erzählt stürmisch von seinem Leben und seinen Erfolgen.
Überheblichkeit ist ihm dennoch fremd, die Dinge haben sich halt so entwickelt. Überhaupt, »Showroom«: Wer kühle Architektur in hipper Lage erwartet, wo in musealer Atmosphäre Prosecco gereicht wird, der liegt erfreulicherweise falsch. In einer ehemaligen Schilderfabrik, am Rand der Bochumer Innenstadt, arbeitet Katter gemeinsam mit anderen Kreativen unter einem Dach. Dort entstehen, mit seiner Mithilfe, auch das Street-Art-Magazin streetwear today und eine Buchreihe zum selben Thema: »untitled«. Hippe Lage? Auch das nicht, sondern Blick auf Stadion, Friedhof und JVA. Aber daran gewöhnt man sich, sagt Katter. Gelernt hat er Verlagskaufmann, gab bereits während des Abiturs das Motorroller-Magazin Motoretta heraus, erdachte ein Pfandbechersystem für Großveranstaltungen und eröffnete 2001 in Bochum den Club »zeit und raum«.
Designstudium? Das nicht, dafür ein paar Jahre BWL. Katter hat die Dinge eigentlich immer erst mal für sich selbst gemacht. 2002 war er auf der Suche nach einem DJ-Pult für seinen Club – erfolglos. Alles zu wenig robust und zu wackelig, der DJ musste sich dauernd Bierdeckel zum Unterlegen organisieren. Auch wenn sich das nach Heimwerken im Hobbykeller anhört, den Prototyp für sein DJ-Pult »setBase« entwickelte Katter selbst. Eine stabile Stahlkonstruktion, abgeschirmt durch eine illuminierbare Front aus halbtransparentem Rauchglas, und Beine, die sich einzeln in der Höhe verstellen lassen. Und das Ganze so vibrationsgedämmt, das auch mal ein Tänzer der wilderen Art gegen das Pult rempeln kann, ohne dass die Plattennadel springt. »setBase« wurde in der Branche zum Geheimtipp, mittlerweile ist das Pult in Serienproduktion gegangen und dient DJs von Welt als Arbeitsplatz. Hans Nieswandt, Mogwai, die scheuen Jungs von »Daft Punk« aus Paris zählen zum Kundenstamm. Und die »setBase« für Inga Humpe von der Band »2raumwohnung« hat Katter persönlich in Kreuzberg vorbeigebracht.
Frau Humpe hat das Original in ihrer Wohnung stehen, und nicht eine jener dreisten Kopien, die ein Versand für DJ-Bedarf plötzlich im Sortiment hatte. Das Pult wurde billig in China zusammengeschraubt und sollte in Europa teurer als das Original verkauft werden. Aber nicht mit Jiri M. R. Katter – der kämpfte und klagte, und war damit ganz auf der Linie seines bayrischen Kollegen Nils Holger Moormann. Dieser legte sich vor einigen Jahren mit Ikea an, die einen seiner Möbelentwürfe unter eigenem Namen kopiert hatten. Mit Erfolg, der schwedische Riese musste eine Niederlage einstecken. Auch Katter gewann und macht seinem Ärger Luft: »No shit from China!« In seiner Werkstatt staubt so eine Pseudo-»setBase« vor sich hin, markiert mit jenem Slogan und so instabil, dass sich das Plagiat beim Aufstützen durchbiegt.
Auch die »dogBar«, die es nun auch als »catBar« für die designbewusste Katze gibt, wurde schon kopiert. Diesmal versuchte ein Zulieferer einer großen Tierfutterdiscountkette, das Plagiat der »dogBar« in den Märkten zu verramschen. Die nächste Klage war fällig. Katter will keine Billigmärkte bedienen, seine Produkte stehen für Qualität und für ökologische und soziale Standards in der Herstellung. Dafür nimmt er auch höhere Kosten und Verkaufspreise in Kauf. Er hat sich die Produktionsprozesse in China selbst angesehen und will mit so etwas nichts zu tun haben. Und Ideen klauen geht schon mal gar nicht: »Ich trag ja auch keine Turnschuhe mit zwei Streifen.« Bis auf die »dogBar«, die in der Schweiz hergestellt wird, lässt er seine Möbel in NRW und Deutschland fertigen. So entsteht »sideBow«, Katters Interpretation eines Sideboards, in der ostwestfälischen Möbelmanufaktur »Somaform«. Hier kann er sich auf echtes Handwerk verlassen. Anders als bei Thonets Stuhlklassiker »214« von 1859, der heute als Bistrostuhl geläufig ist und dessen Rückenelemente unter heißem Dampf zurechtgebogen wurden, werden für den »sideBow« in einem komplizierten Schichtholzverfahren dünne Bretter übereinander gelegt und verleimt, um anschließend mit Hilfe von Stahlformen in die charakteristische Bogenform gebracht zu werden. Trotz seines massiven Aussehens hat das Möbel nur ein Gewicht von 14 kg. Der »sideBow« ist flexibel einsetzbar, als Ablage oder Raumtrenner – ein Kunde hat direkt zwei Exemplare gekauft, um sie mit aufgelegter Glasplatte zum Schreibtisch umzuwandeln. Obwohl Katter ja so was auch im Programm hat, wenn auch als Stehpult namens »noteBase«. Auch dieses Möbel trägt Katters klare Linie: Holz, Stahl und Glas, ohne Schnörkel – alles andere als Bochumer Barock.
Zusätzlich hat er einige Designklassiker aus dem 20. Jahrhundert gesammelt; Stühle, Lampen, Accessoires. Darunter finden sich die Barcelona Chairs von Mies van der Rohe, Panton-Stühle im Stil der 60er Jahre und ein Lambretta-Motorroller von 1961, den Katter von der Lackierung befreit hat und der jetzt in edler Chrom-Optik sein Büro ziert. Nicht nur beim Roller legte er selbst Hand an, auch einige der Möbel hat er dem Sperrmüll entrissen und aufgearbeitet. Diese Klassiker verleiht er als Requisiten an Theater wie die Schaubühne Berlin oder an Filmproduktionen wie »London, Liebe, Taubenschlag«, ein Romantic-Movie des ZDF über eine Frau, die nach einem Liebesabstecher nach London doch den Ort mit den wahren Gefühlen findet – Bochum, was sonst? Es gibt aber kein Lager, Katter hat die Möbel auf seine Wohnung und den Rest der Familie verteilt. »Mein Papa guckt Fußball im Eames Lounge Chair – das ist doch auch ganz schön«, grinst er, wuschelt sich durch die Haare und fragt, ob man eigentlich den Radiohit von seinem eigenen Electro-Label »electyle« kenne, den sie damals bei EinsLive rauf und runter gespielt haben: »Alle sagen yeah!« Nein, das nun nicht. – »Ist aber nicht schlimm!« Dann macht er eben Andeutungen über seine neuen Projekte, »eine ganz kleine Idee, wo aber noch keiner drauf gekommen ist, glaub ich.« Konkretes gibt er noch nicht preis, sonst hat man direkt wieder die Chinesen am Hals. Außerdem hat er Pläne für sieben neue Möbel, pro Jahr soll ein Objekt auf den Markt kommen. Allerdings könnte es auch sein, dass ihm in den nächsten fünf Minuten eine Idee kommt, die mit alledem überhaupt nichts zu tun hat. Katter eben. //