Zuweilen kündigt sich das Wunder der Schönheit ganz unscheinbar an. Wie neulich morgens beim Briefk astenleeren. Mit einer Einladungskarte. Die in Sachen grafi scher Gestaltung wie sprachlichem Stil ein Schauspiel kokettester Geschmacksunsicherheit bot. Reizvoll rätselhaft war sie auch. Über Urin-gelbem Metallic-Grund tanzen kryptische Zeichen: sirona CEREC for lifestyle VITA. Darunter die hübsch züchtige Zeile: »Liebe zur Schönheit ist Geschmack, das Schaff en von Schönheit ist Kunst.« Aha, es geht nicht um Pharmazie, sondern um Kunst.
Die possierlich kleinen Fotos zeigen off enbar Kunstobjekte. Diese haben das interessante Aussehen von einfallsreich eingerollten Damenbinden.
Animiert klappt man die Karte auf. »Frank Diedrich, renommierter Experte der körperlichen Ästhetik, lädt Sie ein, um Sie in eine Welt der Schönheit und Ästhetik zu entführen.« Eingeladen, um entführt zu werden – wunderschön gesagt! »Lassen Sie an diesem Abend die Seele baumeln und erleben Sie Ästhetik pur, von ästhetischen Kunstdarbietungen bis hin zur erotischen Beziehung zum Schönen bei vollkommenen Essen und Weinen.« Zum Weinen schön formuliert das alles. Tja, reden können ist Silber, aber schreiben können ist Gold. Apropos, das erotische Essen und Weinen würzen ein »Platinsponsor « und zwei »Bronzesponsoren«.
Sowie »Referenten« aus der Stadt der schönen Menschen: »Dr. med. dent. Carsten Th uma und Afschin Fatemi, Schönheitschirurg, S-THETIC CLINIC!«. Letzterer leider ohne Doktor-Titel. Aber was macht das schon, ich meine: »S-THETIC CLINIC« Diese gestrafft e Sprachinnovation, wie muss da erst das Gesichtslift ing hinhauen. Auch darf man hoff en, hernach phänotypisch ähnlich gelungen auszusehen wie die Karte.
Ja, das ist ein toller Trend; früher gab es Tupperware-Parties, heute Brustimplantat- Performance-Empfänge. Gestern noch Heizdecken-Verkäufer, heute schon Botox- Butterfahrtenfahrer. Fehlt noch der Katalog, wo man in einem Aufwasch Bügeleisen und Fettabsauger bestellen kann. Na gut, vielleicht ist die neueste Plasto-Kosmetik noch etwas ungeregelt. Nicht frei von Verirrungen. Und wo sich doch der Begriff Kosmetik ableitet von altgriechisch »kosmos« = Anstand, Weltund Natur-Ordnung, sollte man den wild gewordenen Messerhelden eine schönheitschirurgische Tugendlehre zur Seite stellen.
Vorbild könnte die jüngste Veröff entlichung der Abteilung Klassische Philologie der Ruhr- Universität Bochum sein. Eine wunderbar unstraff e historische Übersicht über Praxis und Moral der antiken dekorativen Kosmetik.
Das bezaubernde Werk »Kosmetik im Altertum« von Dr. Maren Saiko beginnt im alten Ägypten, wo die Kosmetik erfunden wurde. Und Ägyptens Oberschicht sich mit Haut und Haar einem hoch entwickelten Körperkult unterwarf, einer reglementierten Schönheitsdiktatur. Wobei man Schönheit und Hygiene in Kategorien göttlicher Vollkommenheit dachte. Es gab bereits Badewannen (Marmor), Reinigungspasten (mit Natron), Körper-Peelings (mit Straußeneischale, Schildpatt, Tamariskengalläpfeln), Körper-Duft lotions (mit Olibanum), Kautabletten für frischen Atem (Natrium-Karbonatstückchen oder Honigpasten-Kügelchen mit Myrrhe, Mastix, Zyperngras, Lilie) und Deo (Weihrauch-Haferbrei-Kügelchen, unter die Achselhöhlen zu klemmen). Die ägyptische Schminkkunst sah die Anwendung des Kajalstift s vor, ockergelben bis dunkelorangenen Fond de Teint; Venen und Schläfenlinie zog man blau nach, dann Farbpigmente auf die Augenlider, Henna-Tattoos auf Hände und Fußsohlen, Goldpuder auf die Brustwarzen: Fertig war man fürs Büro. Allerdings: Die Anti- Faltenmaske aus Milch, Weihrauch, Wachs, Olivenöl, Cyperus blieb sechs Tage lang auf dem Gesicht.
Bis unsere altgriechischen Dichter und lateinischen Denker kamen. Aristophanes empfahl zwar noch Rouge, Lidschatten, Lippenstift (vgl. »Lysistrata«). Auch gift iges Bleiweiß war noch lange als Make-up en vogue (vgl. Michael Jackson). Und der Chefk osmetiker der Antike, der Verfasser der »Liebeskunst«, Ovid, dichtete zahllose Rezepturen für Packungen und Masken. Dann aber war langsam Schluss mit liebeslustig. Plutarch? Plinius? Spöttische Make-up-Verächter. Martial missfi el vor allem das Aufl egen von Make-up und Parfüm nach dem Oralverkehr: ein Ausdruck mangelnder Hygiene. Den frühen Christen schließlich war von den Kirchenvätern nur noch die wahre Schönheit erlaubt: die innere. Und hier ist sie erreicht, die makellose Verbindung von Ästhetik und Moral! Da können unsere Düsseldorfer Starschnitt-Experten noch etwas lernen.
Am besten von Kosmetik-Purist Gregor von Nazianz (326-390 n. Chr.). Für die einzig erlaubte Farbe im Gesicht einer Frau hielt er die Schamröte.
Maren Saiko, Cura dabit faciem, Kosmetik im Altertum.Lit. kulturhist. med. Aspekte. Wissenschaftlicher Verlag Trier 2005, Bochumer Altertumswissenschaftl. Colloquium Bd. 66, ISBN 3-88476-756-9