TEXT: ULRICH DEUTER
Zwölf junge Männer auf Liegestühlen, hinter ihnen eine unüberwindlich hohe Efeuwand. Nach Kurbad sieht das nicht aus, eher nach Ausmusterung und erzwungener Endstation. Und wirklich berichten die kraftstrotzenden Jungs vom Scheitern in der Arbeitswelt: eine Note zu wenig in der Schule; nicht übernommen worden nach dem Praktikum; Drogenmissbrauch. Und immer wieder: »Ich bin nicht so jemand, der gerne kämpft«.
Auf der Bühne des Grillo-Theaters inszeniert Volker Lösch »Rote Erde«, nach dem gleichnamigen Fernseh-Epos aus den 80er Jahren; Regie Roland Emmerich. Vielmehr, Lösch nimmt die von Peter Stripp verfasste Saga des Bruno Kruska, von der Migration aus Pommern Ende des 19. Jahrhunderts ins Ruhrgebiet, von Kumpelqual und Kumpelkampf, Bergmannsstolz, Weltkrieg und Novemberrevolution als historisch dunkle Bausteine, in die er frisches Doku-Material einklinken kann: Sätze aus Interviews mit Arbeitslosen aus dem Revier. Zum Chor formierte Betroffene auf der Bühne, das Löschs Markenzeichen oder Masche; hier nicht anders. Von Anfang bis Ende des zweistündigen Abends wird synchron weniger gesprochen, als gebrüllt, im Chor oder im Synchronduett, aus (erstaunlich exakt skandierendem) Laien- sowie aus Schauspielermund.
Überwältigungstheater – das seine durchaus vorhandene Kraft besser zur Geltung brächte, würde es zwischendurch leisere Töne setzen. Denn Lösch und seine Dramaturgin Beate Seidel haben neben ein paar tüchtigen Portionen Arbeitergeschichte auch treffende Kritik an der Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit sowie an der Degradierung des Mythos (von Kohle und Stahl) zur Marke (der »Metropole Ruhr«) zu bieten. Leider bleibt die Inszenierung allzu breitbeinig und hält sich an ihrem Stoff so holzschnitthaft fest wie die schwarzbemalten Kumpel-Kerle an ihren Schlägeln. Der Theaterrauch dampft, der Kunstprolet stampft – die tiefe Skepsis, die Lösch durchblicken lässt, hätte sich eigene Theaterbilder gewünscht.