TEXT: ANDREAS WILINK
Gibt es noch Leute, die Lust auf Filme von Steven Soderbergh haben? Der US-Regisseur (»Sex, Lies and Videotape«, »Traffic«, »Ocean’s Eleven«) hat es hingekriegt, dass einem sein ironisches Durchmustern, das Experimentieren, Filetieren und im virtuosen Raffinement letztlich banale Jonglieren mit Genres und Haltungen gleichgültig geworden ist. So dass die Aussage »Ich versuche, jeden Film so zu machen, dass er den vorigen zerstört« auch seine eigene künstlerische Bankrotterklärung impliziert. Soderbergh ist mehr damit beschäftigt, das auszustellen, was er als cineastisches Ex-Wunderkind alles auf dem bzw. im Gehirnkasten hat, als sich ernsthaft einer Geschichte, einem Thema, einem Konflikt zu verschreiben. Jetzt also ein Thriller, den er im Wettbewerb der Berlinale folgenlos vorgestellt hatte.
»Side Effects« nimmt die Pharmaindustrie und den Psychopharmaka-Markt zum Vorwand, um weniger über Schuldfähigkeit und Selbstverantwortung zu reflektieren, als fasche Spuren auszulegen und die Nerven-Enden zu stimulieren. Emily Taylor (Rooney Mara), deren Ehemann Martin (Channing Tatum) wegen Wirtschaftskriminalität im Gefängnis saß, kommt mit dem Leben nicht mehr klar. Sie hat Depressionen, auch der Sex funktioniert nicht. Es folgt ein Suizidversuch. Alles vernebelt, leer und dumpf. Ihre verschobene Wahrnehmung übersetzt die Kamera in Unschärfen und verunklarende Räume und Vorstellungen, als hätte Stanley Kubrick seine Hand im Spiel gehabt. Emily sucht den Psychiater Dr. Banks (wie geleckt: Jude Law) auf, der ihr mit Tabletten die Stimmung aufhellt. Die Glücksdroge Ablixa verspricht verharmlosend, Patienten die Zukunft zurückzugeben. Auch die Ehe rostet nun nicht mehr. Aber Emily verliert die Kontrolle über sich und ihre Zustände. In einer Trance tötet die Somnambule Martin mit dem Küchenmesser – und geht ins Bett. Blackout. Verminderte Schuldfähigkeit. Die Verantwortung trägt der Arzt, so das öffentliche Urteil, das seinen Ruf zu ruinieren droht. Vor Risiken und Nebenwirkungen bis zum Mord wird gewarnt. Oder haben wir es mit einem planvollen Verbrechen zu tun? Spielt Emily nur die Desorientierte? Hat sie sich kalt berechnend das perfekte Alibi verschafft, um den lästigen Gatten zu beseitigen? Dr. Banks, übernehmen Sie! Schwindelgefühle sollen auch beim Zuschauer den Suspense befördern. Aber die dramaturgische Konstruktion schmeichelt nicht eben unserem logischen Denken.
»Side Effects«; Regie: Steven Soderbergh; Darsteller: Jude Law, Rooney Mara, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum; USA 2013, 106 Min.; Start: 25. April 2013.