TEXT HONKE RAMBOW
Wann immer Makler ein noch so belangloses Einfamilienhaus mit Flachdach an Frau, Mann oder Familie bringen wollen, vermarkten sie es als »Bauhausstil«. Anders als in der bildenden Kunst, im Theater oder in der Musik, will in der Architektur jeder mitreden, schließlich umgibt sie uns allerorten. Dabei hätte sie es dringend nötig, nicht nur fundiert beschrieben zu werden – sondern auch anschaulich vermittelt.
Als die Rheinische Post vor einigen Wochen ein geplantes Neubauquartier in Krefeld-Fischeln des Architekten Christoph Kohl als »zeitgemäßen Bauhausstil« beschrieb, fühlte sich das »Projekt MiK – Bauhaus in Krefeld« genötigt klarzustellen: »Noch einmal: Bauhaus ist kein ›Stil‹. Und: Bauhaus ist nicht zeitgemäß. Die wichtigsten Beispiele des ›Neuen Bauens‹ sind etwa 90 Jahre alt.« Nun wollen Immobilienmakler eben nur verkaufen; und die Zeitung ist schlichtweg den Marketing-Sprüchen eines Architekten aufgesessen.
Solche Aussetzer sind bei weitem kein Einzelfall, wenn über Architektur gesprochen wird, da werden auch gern mal öffentliche Neubauplanungen als »Betonklotz« verunglimpft, obwohl sie verklinkert sind; Hochhäuser gelten sowieso als »gesichtslos«. Anders als in der bildenden Kunst, im Theater oder in der Musik, will in der Architektur jeder mitreden, schließlich umgibt sie uns allerorten. Wer sich für die anderen Künste nicht interessiert, geht halt nicht hin – nichts davon zu verstehen, ist gesellschaftlich halbwegs akzeptiert. Was die Architektur betrifft, ist auch ohne fundierte Kenntnis eine Meinung smalltalkfähig.
In Deutschland gibt es nur zwei Lehrstühle, die sich mit Architekturkommunikation befassen: eine Stiftungsprofessur der Wüstenrot-Stiftung an der Fakultät für Architektur in Karlsruhe und eine für Architektur Media Management an der FH in Bochum. Während Kulturvermittlung für Theater, Musik, Oper, bildende Kunst und Tanz selbstverständlich ist, existiert das Berufsbild des Architekturvermittlers nicht. Traditionell übernehmen die Aufgabe Kunstpädagogen – im schulischen Alltag spielt das Thema allerdings meist nur eine untergeordnete Rolle. Auch aus diesem Grund stellt die umtriebige Wüstenrot-Stiftung mit den wenigen Experten auf diesem Gebiet gemeinsam Unterrichtsmaterial unter dem Titel »Baukultur. Architektur trifft Schule« zur Verfügung, um das anspruchsvolle Gebiet, das neben ästhetischen Komponenten auch konstruktive und gesellschaftliche Aspekte berührt, im Lehrkanon zu verankern.
Doch auch die Architekten haben nur selten gelernt, verständlich über ihre Arbeit zu sprechen. Das liegt nicht zuletzt an strukturellen Schwierigkeiten. Während im ingenieurwissenschaftlichen Teil eine reine Fachsprache verwendet wird, rangiert im ästhetischen Segment ein diffuses Konglomerat aus Alltagssprache, neu erfundenen Fachausdrücken, die je nach architektonischer Schule variieren, und pseudopoetischen Umschreibungen, in denen Räume »dynamisch« und Stahl und Beton »organisch« zu sein haben. Die Differenz zwischen dem Vokabular von Experte und Laie wird nicht deutlich. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Oft fehlt es auch am Bewusstsein dafür, dass Architektur, solange sie ungebaut ist, über die Kombination aus Bild, Text, Grundriss und Modell zu kommunizieren wäre. Das gelingt nur, wenn alle Elemente perfekt zusammenspielen.
Zudem erfahren Studierende schon früh an den Hochschulen, dass ein strenges Konzept wichtiger als der Nutzungsaspekt sei, dass Le Corbusiers Wohnmaschine gut und ein Walmdach böse sei und dass – Überbleibsel der klassischen Moderne – die Architektur den neuen Menschen erziehe und nicht umgekehrt. Das enthält einiges an Arroganz dem Laien gegenüber – und wenig Gespür dafür, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen, um sich vernünftig über oft millionenschwere Bauvorhaben auszutauschen.