Am achten Tag der Schöpfung ihres Weltreichs sahen die alten Römer, dass sie noch Lehm übrig hatten und dass es im fernen barbarischen Norden herrliche Heilquellen gab, und so kneteten sie Thermalbäder und taten sie dorthin und sprachen: Siehe! sie sollen einmal Claudius-Therme Köln heißen, Niederrhein-Therme Duisburg, Westfalen-Therme Bad Lippspringe und Carolus-Therme Aachen, und das Barbarenland soll Nordrhein-Westfalen gerufen werden und alles Volk soll herbeiströmen in diese Wohlfühltempel römischer Badekultur. Und so geschah es. Die katholische Kirche aber sah, dass es nicht gut war, dass ihre Schafe die Gottesdienste verließen und stattdessen führungslos wie angetriebene Seerobben im orientalischen Schwitzbad und neu-osmanischen Serailbad lümmelten und ihr Heil in Dampfgrotten und Whirlpools suchten statt an Weihwasserbecken und Weihrauchinhalator.
Mit heiligem Schrecken erkannte das klerikale Eventmanagement beim 24. Kirchenforum anno 2005 auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin, dass es Gefahr lief, den Wellnessboom zu verschwitzen.
Aber da kam frohe Kunde vom Bistum Aachen. In Gestalt seiner Theologin Barbara Baumann vom »Freizeitpastoral« organisiert es in den Aachener Carolus-Thermen längst das gottgefällige Round-Up-Werk »Kirche im Thermalbad«. Das erste »Joint-Venture von Wellnessanbietern und Kirche« gilt nun auf Kirchenfachtagungen wie der »Megatrend Wellness – eine pastorale Herausforderung« als Modellprojekt: Die Destination Thermalbad als Kirchentopstandort! Pastoren zu Sauna-Seelsorgern! Das geht dann so: Da dümpelt man in den Ruheräumen des Badeoder Saunabereichs der Carolus-Therme im geistigen Halbdämmer, betütert von Catalanischem Kräuterbad, Massagedüsen, Sprudelbecken und vor lauter Wohlbehagen ganz dulliöoh und will nichts als Ruhe, göttliche Ruhe. Dann kommt, so regelmäßig wie die Aufgusszeiten, der Thermal-Seelsorger, um die verlorenen Seelen aus dem besinnungslosen Spaßbad der Gegenwart zu fischen.
Mit halbstündigen Animationsprogrammen zwecks »Beziehungspflege mit Gott« führt die kirchliche Werbeoffensive an Ort und Stelle Erbaulichkeitshits durch wie Textmeditationen, Phantasiereisen, Besinnungsvorträge, ja sogar »Stilles Sitzen«. Je nach »Teamerin oder Teamer, die ihre je eigenen Kompetenzen einbringen«, wie der Projektbericht von Topteamerin Baumann vermerkt. Ein Text, durch den höllische Hohlphrasen geistern und der so häufig »die Seele baumeln lassen« muss, dass man nach verschärfter Inquisition rufen möchte. Andererseits nimmt es die mild-salbungsvolle Seifigkeit seines »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht?«-Tons mit jeder Hamam-Massage auf und seine nachsichtige Süßholzigkeit mit jeder Honigeinreibung.
Und wer wäre – sinnlich, aber ohne höheren Sinn auf die Liege gebettet – ernsthaft ungehalten, wenn die fleißigen Schleichwerber der Kirche herbeibadeschlappen, um »die Menschen da abzuholen, wo sie sind«. Selbst wenn das unfreiwillige Kindergartenkind Gottes lieber noch dableiben möchte. Wenn es statt gemeinsamem »stillen Sitzen« eigentlich lieber allein stumm zu liegen begehrt, wenn es das Schwefelwasser dem Schwafelwasser vorzieht und das römische Dampfbad dem römisch-katholischen.
Barbara Baumann konstatiert zuweilen »Unverständnis« als Reaktion auf ihre Anregung, die Saunalandschaft »als von Gott bewohnt zu entdecken«. Aber fern jeder Zerknirschung krempelt die B. B. der Bäder, diese Bademeisterin Gottes, samt teamenden Freizeitpastoralhelfern die Bademantelärmel hoch zur »Überwindung von Widerständen«.
Offensiv gehen Pfarrer Kneipps moderne Enkel etwa damit um, dass inkomplette Bekleidung unter Fremden zarte Befangenheit auslösen könnte. Ganz wie die Ruheraum- Gemeinde zeigen auch sie sich ohne Messgewand, so wie Gott sie schuf; nur die Adamund Eva-relevanten Partien scheu bedeckt von Frotteetuch. Das Paradieskostüm als Programm, denn »Hier dürfen die Menschen sich endlich so zeigen, wie sie sind«, in all ihrer Blöße, was für die theologischen Thermen- Meditationen bedeutet, »dass da Themen der Körperlichkeit, der Nacktheit, der Intimität nicht ausgeblendet werden können«. Womit auch die bange stumme Frage beantwortet wäre, ob die eigene, notdürftig verhüllte Badegrottenolmfigur in den klerikalen Blick rücken könnte: Jawohl. Aber gut, waschen wir unsere Hände in Unschuld. Und wandeln einmal mit in gottergebener Meditation und gottgegebener Unvollkommenheit über die Thermalsee-Wasser des Saunagartens. Bloß, schreibende Schwestern, predigende Brüder, ein frommer Wunsch: bitte endlich für immer die baumelnden Seelen ruhen lassen.