TEXT: STEFANIE STADEL
Alles heiter und vergnügt? Nichts als unbeschwerte Lebensfreude in den allerbuntesten Farben? Gern sieht man in Pierre Bonnard bloß den weltverliebten Voyeur, den sorglosen Bewunderer, der das Leben in vollen Pinselzügen genießt. Wenn er spielende Kinder und nähende Mütter malt. Akte im Bad und Flaneure auf den Boulevards von Paris. Wenn er Frauen am Tisch und Früchte auf dem Teller ins Bild setzt. Oder, wie so oft, seinen Blick in die lichterfüllte, farbgetränkte Landschaft richtet: sattgrün bei Regen, in den duftigen Pastellfarben des Frühlings oder eingehüllt vom glühenden Schein der untergehenden Sonne des Südens.
Wuppertal präsentiert nun den »Magier der Farbe«. Die schöne Ausstellung im Von der Heydt-Museum führt in rund 180 Werken – überwiegend Gemälde, dazu Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotos und eine Handvoll Gebrauchsobjekte – durch alle Schaffensphasen des 1867 bei Paris geborenen Künstlers. Sie liefert den großen Überblick und entdeckt nebenbei auch schwermütige Züge in Person wie Werk. Ein interessanter, im Katalog genauer beleuchteter Aspekt, der Bonnards oft nur als ach so harmlos bewerteten Bildern eine etwas andere Note gibt.
In der Wuppertaler Schau folgt man ihm durch die Jahrzehnte, Themenkreise und diversen Orte – Bonnard scheint wie getrieben ständig unterwegs. Er malt in Paris, in der Normandie, an der Côte d’Azur. Dabei wird schnell klar, wie sich der Künstler nach durchaus rebellischen Anfängen im Kreise der Nabis bald vom avantgardistischen Treiben seiner Zeitgenossen absentiert. Neue Strömungen lassen ihn kalt. Er sieht zu, macht aber nicht mehr mit.
Hier der Beobachter, dort die Welt – ein ähnliches Gefühl verrät eine ganze Reihe seiner Werke: Bonnard malt nicht mitten drin, baut zunehmend Barrieren, definiert Grenzen zwischen vorne und hinten, draußen und drinnen, zwischen Betrachter, Maler und Bild. Sehr kunstvoll und ausdrücklich bereits im 1912 gemalten Blick aus einem Café: hinweg über Tisch und Karaffe, vorbei am Kellner, durchs Fenster hinaus auf die belebte Place de Clichy.
Durch Scheiben und Rahmen, über Mauern und Balustraden schaut er auf Straßen und in Landschaften. Versteht es, dabei immer wieder zu irritieren mit Bildgegenständen, die er scheinbar willkürlich am Bildrand abschneidet oder mit Konstruktionen, die gegen alle Regeln mit der Perspektive spielen. Derweil die Farbgebung immer kräftigere, buntere Blüten treibt. Die so harmlos-unverfänglichen Sujets werden Bonnard oft genug zum Anlass für ungewöhnliche Experimente.
In Wuppertal ist zu beobachten, wie er das Neben- und Gegeneinander der Töne untersucht, wie er Farbstreifen und -felder miteinander wirken lässt. Ideen, die etwa in Mark Rothkos Colorfield Paintings der 1950er Jahre wieder aktuell scheinen. Mit der Zeit werden Bonnards flirrende Versuche in Knallrot, Zartgelb, Pink, Lila, Orange oder Giftgrün dabei immer kühner – vor allem im Spätwerk noch angeheizt durch das Licht der südlichen Sonne.
Der Maler hatte sich Mitte der 20er Jahre mit seiner Frau Marthe in den Bergen über Cannes ein Häuschen gekauft. Er tat sich um in der üppigen Gegend und besonders ausgiebig im eigens eingebauten Bad, wo sich die psychisch labile und chronisch hautkranke Ehefrau mit täglichen Waschungen Linderung verschaffte. Dieser kleine Raum wurde zum Schauplatz der berühmten Badszenen. Bonnard brauchte dafür kein professionelles Modell – er malte Marthe, die ganz selbstverständlich vor seinen Augen ihr Ritual rund um die Wanne vollzog. In Wuppertal belegen eine Reihe von Zeichnungen und wenige Gemälde das intime Kapitel im Œuvre.
Aus dieser späteren Zeit stammt auch jenes fahle Selbstporträt. Verschattet vor hellem Grund zeigt sich der Maler da. Fröstelnd die Schultern zusammengezogen, mit gleichsam verschleierten Zügen. Schaut er uns an? Oder doch nur ins Leere? Melancholie, Zwist, Bedrängnis werden hier offenbar. Bonnard selbst hat wohl den scheinbaren Widerspruch zwischen Werk und Leben erkannt – und auch wohl einmal offen angesprochen: »Der singt, ist nicht immer glücklich.«
Von der Heydt-Museum, Wuppertal. Bis 30. Januar 2011. Tel.: 0202/5636231. www.bonnard-ausstellung.de