Kein Schiff weit und breit, keine Matrosen, auch keine Spinnstube. Felswände umrahmen den fast nackten Raum mit der großen Fensterfront, in den der 39-jährige Australier Barrie Kosky bei seinem Debüt am Aalto-Theater den »Fliegenden Holländer« einrichtet. Senta ist den Blicken von gegenüber beinahe ausgeliefert wie das Lustobjekt einer Peepshow. Eine stumme Doppelgängerin verfolgt das Geschehen von Beginn an, bevor sie sich multipliziert und sogar die Matrosenchöre als Senta-Kopien im Dutzend umherspuken. Auch diese wunderbare Vermehrung zeigt: Das Holländer-Drama wird hier zu Sentas Geschichte, in der der Traum von Liebe und Erlösung sich zu einem wie von E.A. Poe ersonnenem Albtraum verzerrt – vielleicht hin zur Kenntlichkeit. Dafür nimmt der Regisseur eine nicht immer klärende Zuspitzung in Kauf. Manches an Koskys extremer Psycho- Pathologisierung wirkt wirr – aber wie auch wollte Logik Wagners romantischem Nachtstück beikommen. Bei der Premiere jedenfalls befand sich der »Holländer« nach schleppender Fahrt plötzlich im Sturm. Ein aufgepeitschtes Meer von Buhrufen brandete bei der Walpurgisnacht- gleichen Sex-Orgie auf, zu der sich das Zusammentreffen der Schiffsmannschaften steigert.
Intendant Stefan Soltesz wartete am Dirigentenpult gelassen ab, bis sich die Wogen glätteten. Unter seiner Leitung leisten die Essener Philharmoniker, was die Bühne verweigert: Von den goldenen Strahlen der Senta-Ballade bis zum blutroten Feuer der Holländer-Musik ersteht das Drama nahezu komplett aus dem Orchestergraben. Soltesz setzt Musik und Musiker unter Strom, gleichwohl einer sanglichen Linie treu bleibend. Der bullige Almas Svilpa setzt als Holländer auf die Wucht und finsteren Farben seines Bassbaritons, ist in der Melodieführung aber oft unausgeglichen und ohne rechte Piano-Kultur. Astrid Weber ist eine stimmlich schlanke Senta, die sich im Dramatischen zu kaltem Jubel steigert. Das passt gut zu Koskys Lesart des Erlösungsschlusses, der ebenfalls harschen Eigensinn beweist. DEMI