»Ist es nicht schön?« Dorothea Eimert scheint ganz verliebt in das neueste Stück ihrer Sammlung. Sehr gern sähe sie dieses effektvolle Konstrukt aus leuchtenden Röhren hoch oben, auf dem Museumsdach. Doch der Denkmalschutz spricht dagegen. So wird der von Stefan Sous gefertigte »Diamant für Düren« wohl vor der neobarocken Schokoladenseite des Instituts erstrahlen. Dort könnte das Kunststück als Teil einer neuen Platzgestaltung Eindruck machen und einmal mehr den Dürener Stifter-Großmut bezeugen. Denn es ist, wie so oft schon, die Wirtschaft der Stadt, die sich spendabel zeigt. Sie überreicht den Edelstein als Geschenk zum 100. Geburtstag des Leopold-Hoesch- Museums.
»Diese herrliche, wundervolle Stätte der Kunst«, so pries am 9. November 1905 die »Dürener Volkszeitung« auf ihrer Titelseite das soeben vollendete Museum. »Wie steht er so stolz, so stattlich da, dieser architektonisch so fein und harmonisch gegliederte Monumentalbau, der mit tausend Zungen das Lob seiner hochherzigen Stifter, nicht minder aber seines genialen Schöpfers redet!« Die Museumseröffnung wurde da als »hoch bedeutsamer Wendepunkt, ein Markstein in der Entwicklung des geistigen Lebens unserer Stadt« gefeiert.
Es waren wirklich rosige Zeiten für Düren. Das 19. Jahrhundert und die Industrialisierung hatten dort einen mächtigen Aufschwung gebracht. Die Stadt zwischen Köln und Aachen gehörte zu den reichsten in Deutschland – auf gerade mal 32.000 Einwohner kamen über 40 Millionäre. Dürens Fabrikanten überboten sich mit Schenkungen und Stiftungen für Kultur und Soziales. Den repräsentativen Museumsneubau finanzierte die Familie Hoesch zum Gedenken an Leopold, der sich in Düren selbst, aber vor allem als Mitbegründer des »Eisen- und Stahlwerks Hoesch« in Dortmund einen Namen gemacht hatte. Eberhard Hoesch spendierte wenig später als adäquates Gegenüber zum Museum ein schmuckes neues Schauspielhaus. Zusammen mit der Marienkirche entstand so ein Ensemble, »wie es wohl selbst größere Städte schöner nicht aufzuweisen haben«, so die Überzeugung von Dürens damaligem Oberbürgermeister August Klotz.
Der Luftangriff des 16. November 1944 ließ nicht viel übrig von all der Pracht – das alte Düren ging unter. Heute prägen Bauten der 50er und 60er Jahre das Gesicht der Stadt. An Stelle des Theaters finden sich die Hauptverkehrsstraße und ein großer öffentlicher Parkplatz. Etwas verloren steht das Leopold- Hoesch-Museum an diesem Ort. Nach dem Bombensturm war es das einzige städtische Gebäude, das noch aufrecht stand – wenn auch nur als Torso. Schon bald nach dem Krieg begann der symbolträchtige Wiederaufbau. Auch neue Kunst musste her, denn die alte Sammlung war seit dem Krieg verschollen und blieb es. Vor allem klassische Moderne erwarb man zunächst. Unter den ersten Ankäufen finden sich Werke von Beckmann, Dix, Hofer, Jawlensky, Kirchner und Nolde.
Was die Reparaturen und Rekonstruktionen am und im Gebäude betrifft, so wurde manch schmückendes Detail weggelassen, auch verzichtete man auf jene große glockenförmige Kuppel, die den Bau ursprünglich krönte. Trotzdem ist noch etwas zu spüren vom früheren Glanz, vom großbürgerlichen Stolz des ausgehenden Kaiserreichs. Unter einem kraftvoll geschweiften Giebel und einem im Schwung des Jugendstils geformten Fenster führen feierlich die Stufen der breiten Halbrundtreppe hinauf zum Museumseingang, der sich zwischen zwei imposanten Säulenpaaren hervorwölbt.
Drinnen geht dann, ganz überraschend, ein Bananen-Regen nieder. Der Kölner Künstler Thomas Baumgärtel hat seine gelben Markenzeichen vor ein paar Jahren an die Wände des Entrees sprühen dürfen. »Ich wollte, dass sich die Dürener einmal richtig aufregen«, so erklärt Direktorin Dorothea Eimert scherzend den knalligen Empfang in ihrem Haus. Die folgende Halle und der Aufgang machen Eindruck, auch wenn die Ausstattung heute etwas sparsamer ausfällt als einst. Die Vergoldung des schmiedeeisernen Treppengeländers ist verschwunden. Auch die Ausstellungsräume sahen vor dem Krieg etwas anders aus. Auf alten Fotos sieht man sie mit stoffbespannten Wänden, Stuckornamenten und bleiverglasten Oberlichtern. Davon blieb nicht viel erhalten. Weil sich die Räume in den äußeren Bereichen finden, waren sie am stärksten betroffen von den Zerstörungen. Später verlegte man PVC-Böden, etwas störend wirken zuweilen auch sonderbar platzierte Heizkörper.
Seit 1978 ist Eimert diesem Haus nun schon als Leiterin treu, sie nahm manch gewichtige Stiftung für das Leopold-Hoesch-Museum in Empfang und verschaffte dem Institut seit den 80er Jahren überregionale, wohl gar internationale Beachtung mit ihrer Biennale der Papierkunst, kurz »PaperArt«.
»Tourismus gibt es in Düren einfach nicht«, bemerkt sie. »Man macht tolle Ausstellungen, doch das große Publikum bleibt weg.« Darüber habe sie sich als junge Museumsdirektorin schwarzgeärgert und deshalb nach etwas gesucht, das sonst keiner macht. Da sei sie auf die Papierkunst gekommen, auch weil Düren bis in die 70er Jahre hinein die Stadt des Papiers gewesen sei. Eimert gewann Größen wie Daniel Libeskind, Zaha Hadid oder Gregor Schneider, die im Leopold- Hoesch-Museum ihre Ideen in Papier und Pappe verwirklichten. Die neunte »PaperArt«-Ausgabe ist eben zu Ende gegangen – ein »Remix«, der die eigens für diesen Anlass geschaffenen Papierkunstwerke mit Einzelstücken aus dem Museums-Fundus kombinierte. Auch die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag sind nun ausgeklungen, eine schöne Festschrift liegt vor. Selbst die jahrelange Arbeit am großen Bestandskatalog des Museums nähert sich dem Ende. In die Ausstellungsräume ziehen wieder Werke aus eigenen Beständen ein. Aus Platzmangel, so Eimert, kämen die wunderschönen Bestände des Leopold Hoesch-Museum leider oft zu kurz. Leicht könnte sie mit diesen Schätzen ein großes Museum füllen.
Stärken der Sammlung liegen im Expressionismus und bei der Neuen Sachlichkeit. Die 1989 gegründete Josef-Zilcken-Stiftung ermöglicht Ankäufe im klassisch-modernen Bereich. Zu Eimerts jüngeren Erwerbungen aus diesem Topf gehören Werke von Otto Modersohn und Karl Hubbuch. Durch die auf konkret-konstruktive Kunst konzentrierte Hubertus-Schoeller-Stiftung kam 2004 ein neuer Schwerpunkt in die Kollektion. Die 1986 errichtete Günther-Peill-Stiftung schließlich kümmert sich verstärkt um Zeitgenossen. Mit Preisen für internationale Künstler wie Thomas Schütte, Rosemarie Trockel, das Duo Fischli/Weiss oder Jimmy Durham oder auch mit Stipendien für junge Talente. Unter den Geförderten waren in den vergangenen Jahren etwa Manfred Pernice, Dirk Skreber und Cosima von Bonin, die nun mit Werken im Fundus vertreten sind.
Bei Großveranstaltungen wie der Papierkunst-Biennale wandert all das ins Depot. Denn der großzügige Schein trügt: Hinter der pompösen Museums-Fassade verbirgt sich ein eher sparsames Raumangebot. 1.800 Quadratmeter stehen für die Kunst zur Verfügung. Seit vielen Jahren schon wünscht sich Eimert deshalb einen Anbau und hegt nun berechtige Hoffnung auf seine baldige Verwirklichung. Die Finanzierung des Neuen Hauses könnte zur Hälfte aus der Peill-Stiftung bestritten werden, den Rest müsste das Land Nordrhein-Westfalen beisteuern.
Konkrete Pläne gibt es auch schon. Der prominente Kölner Architekt Peter Kulka will an die Rückseite des Altbaus einen schlichten neuen Trakt mit heller Betonfassade heften. Dieser Annex böte noch einmal fast 2.000 Quadratmeter. Auf jeden Fall, so Eimert, sollte dort ein »Peill-Forum« Platz finden, wo wechselnde Ausstellungen aus den Beständen stattfänden und Preisträger wie Stipendiaten präsentiert würden. Außerdem möchte die Direktorin im Anbau die Schoeller- Stiftung einquartieren und einen festen Raum für den Nachlass des neusachlichen Malers Heinrich Maria Davringhausen einrichten. Die alten Räume seien mit ihrem Licht und der Größe dagegen wie gemacht für die Expressionisten.
»Wir platzen wirklich aus allen Nähten«, sagt Eimert. Der Anbau ist für sie ein Muss. Zumal das Haus von Beginn an auf Wachstum angelegt worden sei – nicht umsonst zeigt sich die Rückseite des Gebäudes vergleichsweise schmucklos. Schon 1905 in seiner Eröffnungsrede hatte Wilhelm Hoesch das Thema auf den Tisch gebracht: Düren, so stellte der Kommerzienrat fest, habe einen »schönen und praktischen Museumsbau erhalten, der zwar noch klein ist, aber vergrößert werden kann, sobald sich dies durch Anwachsen der Sammlung als notwendig erweisen sollte«. //
Tel.: 02421/252561. www.leopoldhoeschmuseum.de