1987 fand die Frankfurter Oper zweimal überregionale Beachtung: durch die Brandstiftung, die das Gebäude weitgehend ruinierte, und durch die Uraufführung der »Europeras 1 & 2« von John Cage im Ersatzquartier. Der New Yorker Dekonstrukteur hatte aus den Stimmen von rund 60 älteren (urheberrechtlich »freien«) europäischen Opern die Partien einzelner Stimmen ausgeschnitten, nach dem Zufallsprinzip montiert und mit der Steuerung einer (den Dirigenten ersetzenden) Digital-Uhr aufführen lassen. Im Theater Aachen wird die Eurovision ganz neu arrangiert. Ludger Engels bringt die stationär gedachte Kunst-Collage unter Berücksichtigung von Cages »Music Circus« in Bewegung. Erwägend, was Cage womöglich selbst unternommen hätte, »wenn er nach Aachen gekommen wäre und für die konkreten Bedingungen dort eine neue Version entwickelt hätte«. Im ganzen Haus (bis in die Duschen) zeigen die Mitwirkenden, was sie en detail vermögen. Sänger, Instrumentalisten und Bühnenarbeiter sind in einem wohlinszenierten Wandelkonzert körpernah bei der konzentrierten Arbeit zu erleben. Ohne auf das ins Theater strömende Publikum zu reagieren, bereiten ein Pianist, dem Brahms & Co. aus dem Flügel quellen, und zwei »Plattenspieler« (DJs mit Schellack- Schätzchen) den Empfang. Auf der Hauptbühne dann zunächst eine Annäherung an die von Cage ursprünglich intendierte Montage- Kunst. Doch bald schon werden die Zuschauer wieder in die Foyers verbannt, um sich dort zerstreuen und anregen zu lassen von »Musikern zum Anfassen« wie der Harfe in Aktion oder gewahr zu werden, wie inhaltsreich eine Viola-Stimme von Offenbachs »La Périchole« ist. Ob das, was die Akteure vor den Digital-Anzeigen zu leisten haben, »befreiter« ist als das, was sie unter den Handzeichen eines umsichtigen Dirigenten treiben, bleibt auch nach dieser Reaktivierung der »Europeras« die Frage. Dass die Karajan-Büste, die an die braune Zeit erinnert, in den Eingangsbereich verbannt wurde, gehört gewiss zum emanzipatorischen Nebeneffekt. REININGHAUS
Tag der offenen Tür
01. Mai. 2006