TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Eigentlich sind die handgemachten Backwerke von »Madame Miammiam« ein guter Grund für eine Diät. Nicht weil es Kalorienbomben wären (das sind Torten immer), sondern weil sie schlichtweg zu schade sind, um aufgegessen zu werden. Ihre Torten, Petit Fours, Kekse und Pralinen sind in erster Linie bunt. Sehr bunt. Und schrammen manchmal haarscharf am Kitsch vorbei. Rosa, türkis, pastellfarben, verziert mit aufwendigen Marzipanfiguren, überzogen mit farbigem Zuckerguss. Man fühlt sich an die Ausstattungsorgie in Sofia Coppolas Film »Marie Antoinette« erinnert, in dem ebenfalls pastellene Küchlein und Törtchen auf den Bonbonieren des Schlosses von Versailles getürmt waren.
Sie sehen aus wie zuckrige Skulpturen, und die Verbindung zur Kunst kommt nicht von ungefähr. »Madame Miammiam«, die Anne Schultes heißt, hat erstmal Kunst studiert, ganz klassisch. Hängte dann aber noch eine Ausbildung als Konditorin in England dran, und ab da hieß es: »Torte statt Leinwand!« Schritt für Schritt machte sie daraus einen Beruf, gründete 2005 ein
»Catering für Süßes«, wegen des zunehmenden Erfolgs expandierte sie 2007, stellte Mitarbeiter ein und eröffnete ihr Ladenlokal in Köln. Das Angebot reicht von Keksen über Petits Fours bis zur mehrstöckigen Hochzeitstorte; alle im typischen »Miammiam«-Stil. Ihre Kunden sind Privatleute, die deswegen auch schon mal aus Berlin anreisen und natürlich Firmen und Unternehmen, die das Besondere suchen. So entstehen mit Namen versehene Cookies, die als Platzkarten dienen, oder eine Torte, die dem Logo von Aldi-Süd nachempfunden ist.
Schultes bietet feste Kollektionen an, geht aber auch verstärkt auf individuelle Kundenwünsche ein. Dann modelliert sie Stierköpfe und Friedenstauben aus Marzipan und verwandelt die Kölner »Tränen« aus dem Stadtwappen zu Deko-Elementen. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt, und es ist schon oft vorgekommen, dass Kunden mit einem Pantone-Farbfächer in den Händen im Laden standen und spezielle Farbwünsche äußerten. Für eine Ausstellung hat Anne Schultes sogar mal einen Kuchen in Form eines menschlichen Magens gebacken – für speziellere Geschmäcker ist also auch was dabei.
Der Firmenname stammt übrigens indirekt von ihrer kleinen Tochter, und besser als durch lautmalerische Anerkennung kann man wohl nicht gelobt werden. Schultes’ größter Wunsch wäre denn auch, eine bewohnbare Torte für sich und ihre Familie zu backen. Eine Art Villa Kunterbunt, ausgekleidet mit Marshmallows. Klingt gar nicht so abwegig, denn etwas Ähnliches hat sie schon ausprobiert. Nicht direkt ein ganzes Haus, dafür traf es die Fassade ihres Ladenlokals. Während der diesjährigen »Passagen« verwandelte sie die Wand um die Schaufenster in ein Knusperhaus aus Lebkuchen, mit Fensterläden aus Naschwerk und Blumenkästen, aus denen, statt bunter Blüten, Lollies wuchsen.
Wie alles, was »Madame Miammiam« herstellt, war auch diese Fassade nur von kurzer Dauer. Die Blumenkästen waren rasch geplündert, und des Nachts knusperten erwachsene Menschen den Lebkuchen weg. Bessere Werbung kann man nicht machen, auch wenn diese ein wenig auf die Hüften schlägt.
Madame Miammiam, Antwerpener Str. 39, 50672 Köln, Tel. 0221/ 2719242. www.madamemiammiam.de