Eine Rahmengeschichte – besser gesagt: die Geschichte zweier Ringe, die sich ineinander drehen und die einen gemeinsamen Mittelpunkt besitzen: Lebenszerfallenheit. 1981: Ein alter Mann hat sich gerade umgebracht. Das ist der äußere Ring, der zurückspringt und sich dann erneut diesem Freitod entgegendreht. Der innere Ring, näher am Zentrum, dreht sich weit in der Vergangenheit, 1938 in Lübeck. Dorthin ist Christiaan Dudok, Fabrikdirektorssohn aus den Niederlanden, zum Praktikum in einen deutschen Konkurrenzbetrieb gekommen. Hier erlebt er das sich formierende Deutschland, das festen Schritts auf die »Kristallnacht« zusteuert. Hier begegnet er aber auch Julia, einer jungen Frau, die ihn durch ihren Freimut und ihr Selbstbewusstsein sofort in den Bann zieht. Chris ist eher ein Leser und Träumer, als ein künftiger Unternehmer. Julias diesseitige Art weckt ihn auf. Und bringt ihm sein bislang diffuses Unbehagen an den deutschen Verhältnissen ins Bewusstsein, ist doch Julia eine entschiedene Gegnerin des Nazi-Regimes. Nach einer Provokation wird Julia von der Gestapo gesucht. Chris, nachdem beide für eine Nacht ein Paar waren, flieht zurück nach Holland. Heiratet dort eine andere. Übernimmt die Firma. Und wird Julia nicht mehr los.
Die Stärke von Otto de Kats Roman sind die lakonischen und doch fein genauen Beschreibungen des Umgangs von Menschen miteinander. Seine Schwäche ist, dass er die Tragik eines Lebens kaum erleben lässt, eher behauptet. Dass die Titelheldin Umriss bleibt. Dass er für das Nazi-Deutschland nur Klischees kennt, die wie aus einem Spielberg-Film entnommen scheinen. | UDE
Otto de Kat: »Julia«. Roman
Übersetzt von Andreas Ecke.
Insel-Verlag 2010,
168 Seiten, 19,80 Euro.