TEXT: KATRIN PINETZKI
Wenn die Industrie geht, bleibt Raum: Abraumhalde oder Brachfläche, verseuchtes oder versiegeltes Gelände, häufig von den Dimensionen eines ganzen Stadtteils. Die Anwohner, die Jahrzehnte lang gelernt haben, diesen Raum aus ihrer Wahrnehmung von Stadt auszublenden, ihn zu umfahren und zu umgehen, müssen ihn nun in ihren Alltag integrieren – eine Mammut-Aufgabe der Stadtplanung, gerne auch unter Einbeziehung von Künstlern. In Dinslaken-Lohberg ist Markus Ambach dabei behilflich.
Ambach hat sich mit »map« – Markus-Ambach-Projekte – eine eigene Marke geschaffen. Seit fast 20 Jahren entwickelt und organisiert der Düsseldorfer Kunst-Projekte im und für den öffentlichen Raum. Gerufen wird er in der Regel an Unorte im Niemandsland, wo er gemeinsam mit anderen Künstlern versucht, Identifikation zu stiften und die Menschen mit ihrer Umgebung zu versöhnen. »B1/A40 – Die Schönheit der großen Straße« war so ein Projekt. Wer Autobahn kann, sollte an Dinslaken nicht scheitern.
In Lohberg ist Ambach Kurator. Er lud die beteiligten Künstler ein, mit ihren Arbeiten das Umfeld »zu reinterpretieren und die entwickelte Choreografie in den Park hineinzuspiegeln«, um die zergliederte Landschaft wieder miteinander zu verknüpfen, wie es im Konzept heißt. Wichtig bei allen Projekten: Die Bewohner mussten eingebunden und beteiligt werden. Sie sollten, so das Ziel, Potentiale ihrer Landschaft erkennen und sich die neue Nachbarschaft aktiv-kreativ aneignen.
Soweit, so theoretisch. In der Praxis sieht das dann so aus: Das Künstlerpaar Martin Kaltwasser und Folke Köbberling bauen das »Kraftwerk Lohberg«, ein Holzgebäude aus Recyclingmaterial, das die Energie, die es benötigt, mit menschlicher Muskelkraft selbst erzeugen kann. Wofür es da sein und wie es genutzt werden soll – ob als Sportstudio, Kulturverein oder Werkstatt – bleibt den Bürgern überlassen, die dazu möglichst gemeinsamen Willen entwickeln werden. Die Bürgerbeteiligung beim Bau jedenfalls ließ noch etwas zu wünschen übrig.
Da ist zum Beispiel Thomas Schüttes »Hase«, ein Hase in Anführungsstrichen: Vier Meter hoch, knallrot, mit Ziegenbart und einem Körper, der eigentlich zu einem etwas gebückt stehenden Mann gehört. Die langen Löffel sind zuerst zu sehen, wenn man sich von der Hünxer Straße nähert, vorbei am neu angelegten Weiher durch den Bergpark. Der »Hase« sitzt auf dem ehemaligen Kohlerundeindicker der Zeche Lohberg, der als Landschaftsmarke stehen blieb. Die Form, so documenta- und Biennale-Teilnehmer Schütte einmal, stamme ursprünglich von seiner damals zwölfjährigen Tochter, die mit Tonresten gespielt habe. Knallrot und riesengroß auf einem Industrierelikt steht der Hase erst einmal für gar nichts, genau darin liegt seine Chance. Er bietet sich als Projektionsfläche an. Wofür, wird man ja sehen!
Die Kunst im Bergpark, um es kurz zu machen, ist vorrangig für die Lohberger da. Besucher von außerhalb müssen nicht unbedingt wegen des in Bronze gefassten Kohlenstücks kommen, das der dänische Künstler Jakob Kolding als Gesprächsanstoß unter einer Parkbank installiert hat. Dafür können sie flanierend verfolgen, wie die Entwicklung eines Stadtteils am Rande des Ruhrgebiets mit viel Engagement vorangetrieben wird. Was Dortmund sein Phoenixsee, ist Dinslaken sein Bergpark. Rundum sehen Spaziergänger die um die Jahrhundertwende erbaute Arbeitersiedlung im Gartenstadtstil, sehen Felder und Wiesen, gewaltige Halden und eine Seen- bzw. Kiesgrubenlandschaft, die sich die Bevölkerung bereits erschlossen hat. Eine neue Wohnanlage ist noch geplant, auch ein unvermeidliches »Kreativ.Quartier« gibt es. Dass das ins Laufen kommt, davon sind zumindest die Vermarkter bei RAG Montan Immobilien überzeugt. »Erhebliches Ansiedlungsinteresse im Bergpark vermelden zwei Bienenvölker, die von Zollverein in Essen nach Lohberg umsiedeln wollen«, heißt es trocken auf der Webseite. Ein großflächiges Insektenhotel werde entstehen, »für dessen Nutzung bereits erhebliches Interesse besteht«. Lohberg, in jüngster Zeit vor allem wegen salafistischer Umtriebe in den Medien, scheint über den Berg – auch dank des Bergparks.
Ab 6. Juni 2015, 15 Uhr, werden alle künstlerischen Arbeiten im Bergpark vorgestellt, Kurator Markus Ambach führt übers Gelände. www.choreografieeinerlandschaft.de