TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Man kennt das: Wenn sich heute eine Stadt ein neues Corporate Design inklusive Logo zulegt, ist das Geschrei in den Leserbriefen und Kommentarspalten groß. Da wird die Unnötigkeit des Ganzen diskutiert, werden die Kosten angeprangert, und es finden sich garantiert Leute, die meinen, dass ihre vierjährige Tochter das auch und natürlich viel besser hätte hinbekommen können. Was ja manchmal auch stimmt – man denke nur an das lieblose Düsseldorfer Stadt-Signet »:D«, das vor einigen Monat der Öffentlichkeit vorgestellt und direkt in den Zeitungen zerlegt worden ist.
»Da müssen wir leider feststellen, daß der größte Teil der Beschauer erst in ein großes Rätselraten verfällt und nach einigen Stunden eifrigen Suchens nach Sinn und Bedeutung aufhört, das schwierige Bilderrätsel zu lösen.« Dieser Satz entstammt hingegen einem Artikel aus der Freien Presse von 1931 und zeigt, dass sich nicht viel verändert hat in der öffentlichen Diskussion. Damals wurden die Städte Elberfeld und Barmen vereinigt und in Wuppertal umbenannt; ein neues Stadtwappen musste her. Der Designer und gebürtige Elberfelder Wilhelm Deffke überarbeitete den Bergischen Löwen radikal. Das traditionelle Wappentier wurde bei ihm zu einer reduzierten, geometrischen Form von unerhörter Modernität; zu einem Bilderrätsel für damalige Augen.
Diese grafische Moderne wird nicht alt. Viele der Arbeiten Wilhelm Deffkes, die das Museum Folkwang in einer kompakten Schau zeigt, gehen in ihrer formalen Kompromisslosigkeit noch heute als Provokation durch. Die Nähe zum Bauhaus war bei Deffke immer gegeben, wie ein Foto von 1911 veranschaulicht, das mehrere junge Männer vor dem Atelier von Peter Behrens zeigt: Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Wilhelm Deffke. Bereits 1907 war Deffke künstlerischer Berater der AEG, für die er ein komplexes Corporate Design realisierte, das von den Print-Medien über die Produkte bis hin zur Architektur reichte – wie die 1909 errichtete Turbinenhalle, deren sichtbare Tragwerkskonstruktion weltweit für Aufsehen sorgte.
Für Deffke gehörte die Gestaltung nicht am Blattrand auf; statt einer Firma nur ein hübsches Logo zu verpassen, entwickelte er das visuelle Konzept räumlich weiter. Die abstrakte Biene, die 1925 im Mittelpunkt des grafischen Auftritts für »Der Zucker«, einer Ausstellung der Zucker herstellenden und verarbeitenden Industrien Deutschlands stand, säumte als dreidimensionale, abstrakt-kubistische Skulptur den Eingangsbereich der Messe. Der Zigarettenfirma Reemtsma verpasste Deffke 1920 ein reduziertes, schwarz-weiß-rotes Erscheinungsbild, ohne sich Gedanken über nationalsozialistische Farbgebungen machen zu müssen. Auch dieses Konzept wurde dreidimensional weiterentwickelt – z.B. zu Messeständen –, in der Idee Deffkes gipfelnd, die Firmenzentrale in einen rot-weiß-gestreiften Kubus zu verwandeln. Für einen Reemtsma-Reklameumzug steckte er Menschen in dadaistisch anmutende Zigarettenkostüme und entwarf für Werbe-Ritterspiele Kostüme für Mensch und Pferd, die das heutige, popkulturell geschulte Auge direkt mit der Manga-Ästhetik verlinken.
Keine Frage, der Mann war seiner Zeit weit voraus. Wie sehr, zeigt eine halbseitige, rein typografische Zeitungsanzeige für die Zigarettenmarke »Manoli Privat«. Dem redaktionellen Teil mit seinem kleinteiligen Seitenraster voller Fraktur und Sütterlin setzte er eine weiße Fläche mit riesigen, schwarzen Versal-Buchstaben entgegen. Mehr Avantgarde geht nicht.
»Corporate Design: Der Logopionier Wilhelm Deffke (1887–1950)«, Museum Folkwang, Essen, bis 26. Januar 2014. Tel.: 0201/ 8845 444. www.museum-folkwang.de