Was ist eigentlich los, wenn ein Mann die Schieflage der eigenen Schriftstellerexistenz damit zu erklären versucht, dass sich der Küchenboden seiner Wohnung dramatisch abgesenkt hat? So stark, dass ein Spielzeugauto ohne Anschubsen von einer Wand zur anderen fährt? Ins Wanken gerät die Statik des maroden Altbaus in Jan Peter Bremers Roman »Der amerikanische Investor«, weil der neue Besitzer Profitables mit seiner Immobilie vorhat. Und das heißt: Kernsanierung, bis die Decke einzustürzen und die Ehe des Mieters in die Brüche zu gehen droht. Woraufhin die Baustelle ruht und der Autor, dem der Boden langsam unter den Füßen wegbröselt, den Tag mit dem Ausmessen der Wandrisse beginnen kann.
An Ausreden dafür, dass er seit Monaten kein Wort zu Papier bringt, mangelt es dem Schreibgehemmten nicht. Im sicheren Gefühl, aus »seinem Notizbuch heraus mit Kot beworfen« zu werden, sobald er sich ihm nähere, ist er auf der Suche nach dem berühmten ersten Satz. Doch sein – alltagspraktisch gesehen – weit größeres Problem ist, aus dem Bett zu kommen. In seinem Arbeitszimmer liegend, schrumpft er mit den neuen Aufgaben, sinniert vor sich hin, der Kopf ein Karussell von Gedanken, und nähert sich in weiten Schwüngen dem Zentrum seiner familiären wie künstlerischen Bedeutungslosigkeit. Zwischen Größenwahn und Selbstkasteiung pendelnd, gerät Bremers sympathischer Held derart in Schwung, dass er sich vornimmt, dem Investor, der als kapitalistisch bewegter Beweger unentwegt in einem Flugzeug um die Welt düst, einen Brief »wie eine zimtfarbige Wolke« zu schreiben.
Schwer ist die artistische Existenz, doch Bremer nimmt sie leicht. Das Drama des Künstlers wird in diesem feinkomischen Roman zu einer selbstironischen, hintersinnigen Groteske. Und der »amerikanische Investor«? Den lässt Bremer als Allmächtigen seine Kreise am Himmel ziehen. Wenn Kapitalismus Religion ist, kann Leben nur Krise sein.
Jan Peter Bremer: »Der amerikanische Investor«. Berlin Verlag, Berlin 2011, 157 S., 16,90 Euro
Lesung am 20. Januar 2012 im Museum Folkwang