Hinterher fanden die Beteiligten belanglose Worte für das, was alles andere als belanglos war. Als einfach nur »schade« empfand Axel Freimuth, der Rektor der Universität zu Köln, dass seine Hochschule, die größte in Deutschland, schon in der Vorrunde des Elite-Uni-Wettbewerbs von Bund und Ländern ausgeschieden war. Als »Wermutstropfen« schmeckte Freimuths Bonner Kollegen Matthias Winiger, dass es auch die Rheinische Friedrich- Wilhelms-Universität nicht ins Finale geschafft hatte. Der stärkste Kommentar kam noch aus Münster, hier zeigte sich Rektor Jürgen Schmidt über das Ausscheiden der Westfälischen Wilhelms-Universität immerhin »enttäuscht «. Doch auch das traf bei weitem nicht den Kern. Denn das Abschneiden der nordrhein-westfälischen Unis bei der Vorauswahl des Hochschul-Contests war ein Scheitern fast auf der ganzen Linie.
Mit gleich fünf Universitäten war das Land im Herbst vergangenen Jahres in der sogenannten dritten Förderlinie des Elite-Wettbewerbs ins Rennen gegangen. Sie ist der wichtigste Teil der – so der offizielle Name – »Exzellenz- Initiative«, mit der der Bund und die Länder in den kommenden fünf Jahren 1,9 Milliarden Euro in die Forschung an den deutschen Unis pumpen wollen, die dadurch wieder Anschluss an die Weltspitze finden sollen. Im Unterschied zu den beiden anderen Teilen des Wettbewerbs werden in der dritten Förderlinie nicht einzelne Fächer oder Einrichtungen für besonders innovative Forschungspläne ausgezeichnet und gefördert, sondern ganze Hochschulen – die viel zitierten Elite-Unis eben.
Um diesen Prestige-Titel und die damit verbundenen rund 13,5 Millionen Euro Fördergelder pro Jahr bewarben sich insgesamt 27 Universitäten aus zehn Bundesländern. Nordrhein-Westfalen stellte mit Aachen, Bochum, Bonn, Köln und Münster fast ein Fünftel der Kandidaten. Nach außen machten alle fünf Bewerber und auch der Elite-verliebte nordrhein-westfälische Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) in großem Optimismus. Wie ernst es ihnen damit auch immer war – fast alle Blütenträume zerplatzen, als die gemeinsame Jury des Wissenschaftsrates und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Ende Januar das Ergebnis ihrer Vorauswahl bekannt gab: Bochum, Bonn, Köln und Münster waren durchgefallen – einzig und allein die Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule (RWTH) Aachen hatte überzeugt und den Einzug ins Finale geschafft. Dort muss sie sich im Herbst einer schier erdrückenden Übermacht aus dem Süden der Republik stellen. Von den insgesamt zehn Kandidaten für die Schlussrunde kommen nicht weniger als sieben aus Baden-Württemberg und Bayern.
»Eine von fünfen« – ein desaströses Resultat. Nicht viel besser sah es in den beiden anderen Teilen des Elite-Wettbewerbs aus. Bei den sogenannten »Graduiertenschulen«, in denen Nachwuchsforscher auf besonders hohem Niveau gefördert werden sollen, hatten sich 21 Projekte aus NRW beworben. Immerhin zehn von ihnen überstanden die erste Runde. Freilich kommt fast die Hälfte davon wieder aus Aachen, neben der RWTH sind nur Bielefeld und Bonn mit zwei geplanten Graduiertenschulen sowie Bochum und Köln mit je einer noch im Rennen. Geradezu ein Debakel erlebten die Unis zwischen Rhein und Weser schließlich bei den »Exzellenz-Clustern« – jenen Konglomeraten, in denen Unis, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und möglichst auch Firmen zusammenarbeiten sollen. Nicht weniger als 35 Einrichtungen aus NRW hatten hier ihre Pläne eingereicht – nur vier kamen zum Zuge: jeweils eine aus Bonn und Köln sowie zwei aus – natürlich – Aachen. Eindeutiger könnte die Botschaft der Elite-Vorauswahl also nicht sein: Wenn es um die besten Ideen für neue und besonders zukunftsträchtige Forschungsprojekte und -gelder geht, sind die NRW-Hochschulen außen vor. An ihnen herrscht zumindest in Sachen Forschung – um die akademische Lehre und die Betreuung der Studenten geht es beim Elite-Wettbewerb ausdrücklich nicht – Mittelmaß. Und als einziger Leuchtturm weit und breit kann die RWTH Aachen mithalten im nationalen Rennen der innovativsten Hochschulen – und erst recht im internationalen, wo die bestplatzierten deutschen Unis in der Regel irgendwo zwischen Rang 20 und 40 auftauchen. Mit diesem Votum haben die vor allem ausländischen Jury-Mitglieder des Wissenschaftsrates und der DFG aus internationaler Perspektive noch zugespitzt, was sich in den vergangenen Jahren auch in nationalen Forschungs-Wettbewerben und -Rankings, etwa der DFG, gezeigt hatte. Und nur wenige Tage vor der Elite-Vorauswahl hatte auch eine vom Düsseldorfer Innovationsministerium in Auftrag gegebene Studie den Hochschulen im Lande eine enorme »Forschungslücke « bescheinigt. Der erst seit wenigen Monaten amtierende Innovationsminister fand bereits bei dieser Gelegenheit einen lakonischen Kommentar, den er kurz darauf angesichts des Elite-Debakels wiederholte: »Nordrhein-Westfalen«, so Andreas Pinkwart, »hat zwar die dichteste Hochschullandschaft Europas, aber eben längst nicht die beste.« Und: Den Vorsprung der Bayern und Baden-Württemberger aufzuholen, erfordere »eine riesige Kraftanstrengung«. Eben diese Anstrengung will Pinkwart unternehmen und Nordrhein- Westfalen innerhalb von zehn Jahren zumindest in Deutschland zum »Innovationsland Nummer eins« machen. Doch auch das scheint aus heutiger Sicht nur ein Knabenmorgenblütentraum zu sein. Denn zwischen dem Süden und dem Westen der Forschungsrepublik liegen Welten.
Ob in Heidelberg, Freiburg oder Tübingen, in München oder Würzburg – hier wie dort haben die Hochschulen selber, aber auch die Hochschulpolitiker in den Regierungen und Parlamenten und die an Forschung interessierten Unternehmen in den vergangenen Jahren praktisch alles richtig gemacht. Früher und konsequenter als alle anderen machten sie sich auf die Suche nach zukunftsträchtigen Forschungsfeldern. Diese zu finden und zu fördern, ist ihnen viel Geld wert – gemessen am Bruttosozialprodukt geben Staat und Wirtschaft in Bayern und Baden-Württemberg inzwischen drei Mal so viel für Forschung und Entwicklung aus wie in Nordrhein-Westfalen. Von den amerikanischen Elite-Hochschulen, aber auch von den Max- Planck-Instituten hierzulande, lernten die Akteure im Süden zudem, dass es bei allen guten Ideen immer auch auf die ankommt, die sie umsetzen. Ergebnis war eine konsequente und erfolgreiche Berufungs- Politik, die auch international renommierte Wissenschaftler ins Oberbayerische oder Badische lockte. Den Rest besorgte eine gelungene Mischung aus Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik, bei der Firmengründungen aus den Hochschulen heraus und Ansiedlungen im Umkreis der Unis gezielt gefördert wurden. Und so konnte etwa der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) das ausgezeichnete Abschneiden der Ländle-Hochschulen beim Elite-Wettbewerb mit dem schönen Satz erklären: »Wir holen die besten Köpfe und geben ihnen viel Geld und ein attraktives Umfeld. « All das wurde in NRW versäumt – mit der einen berühmten Ausnahme eben.
Dem Aachener Leuchtturm werden nun auch gute Chancen für die Endrunde im Elite-Wettbewerb eingeräumt. In diesen Wochen wird an der RWTH an der endgültigen Bewerbung für das Finale gebastelt, die bis April eingereicht werden muss. Wie die anderen neun Finalisten macht auch die Aachener Uni noch ein Geheimnis um die Details ihrer Kampagne, deren Motto immerhin vielversprechend klingt: »Von der Idee bis zum Produkt.« Ob dieser Zirkelschlag zum Erfolg führt, wird sich am 13. Oktober zeigen, wenn die Jury von Wissenschaftsrat und DFG die endgültigen Gewinner im Elite-Wettbewerb verkündet.
Für die jetzt schon in der Vorrunde gescheiterten – und für alle anderen – Hochschulen aus NRW gibt es übrigens noch eine Chance: Ebenfalls im April startet die Vorauswahl für eine zweite Wettbewerbsrunde, deren Sieger im Oktober 2007 gekürt werden sollen. Köln und Münster haben schon angekündigt, sie wollten noch einmal versuchen, Elite zu werden.