TEXT STEFANIE STADEL
Mitten in der Pampa wartet der üppig gedeckte Tisch. Dicht an dicht stehen die gut gefüllten Gläser und Schüsseln auf dem vom Wind bewegten weißen Tuch. Das Ganze soll offensichtlich an alte Vanitas-Stillleben erinnern. Greta Alfaros Video dreht den Vergänglichkeits-Gedanken der barocken Vorbilder jedoch noch ein Stück weiter. Denn es bleibt nicht bei der hintersinnig gedeckten Tafel. Schon nahen dunkle Schatten, die Gefahr androhen, und tatsächlich: Im nächsten Moment fallen zig hungrige Geier über den Schmaus her. Es flattert, pickt, scheppert, klirrt, wenig später ist nichts als Verwüstung übrig vom appetitlichen Arrangement. »In Ictu Oculi«, den Titel ihrer filmischen Vanitas-Neuauflage greift Alfaro nicht aus der Luft. Ihn trägt bereits ein berühmtes Stillleben des 17. Jahrhunderts. »In einem Wimpernschlag« – so schnell kann es gehen.
Alfaros Hingucker eröffnet den Parcours im Kunstmuseum Goch. Gemeinsam mit dem Kunstverein Bochum widmet man sich dort dem immer gültigen Thema Zeit. Nach den mahnenden Gemälden des Goldenen Zeitalters mögen einem bei diesem Stichwort vielleicht Salvador Dalí und seine zerfließenden Uhren einfallen oder On Kawara, der das Phänomen in über 2000 »Date Paintings« einfing. Doch die Klassiker interessieren diesmal nicht. Vielmehr stehen Werke der letzten Jahre im Zentrum und belegen die ungebrochene Aktualität des Sujets.
»The Long Now« heißt die Doppelausstellung und ebenso Verena Friedrichs künstlerische Versuchsanordnung. Mit einer Art Aquarium tritt die Künstlerin dem Lauf der Dinge entgegen, indem sie im Inneren des gläsernen Kastens ideale Bedingungen für eine Seifenblase schafft. Die hängt da in der Luft, rund und schön und schillernd und rührt sich nicht. Friedrich hält das an sich extrem ephemere Gebilde sozusagen künstlerisch am Leben.
Näherten sich die Niederländer des 17. Jahrhunderts, Dalí und auch On Kawara der Zeit mit Pinsel und Farbe, spielt die Malerei heute erwartungsgemäß nur mehr am Rande eine Rolle. Neben vereinzelten Gemälden, einigen Installationen, Objekten und Fotoarbeiten sind es in der Ausstellung vor allem Videos, die dem Verrinnen der Minuten, Stunden, Tage, Jahre nachgehen, es registrierend und kommentierend ins bewegte Bild setzen.
Julia Weißenberg etwa dokumentiert per Kamera die zeitintensive Herstellung eines Sandmandalas. Auch Jan Schmidt nimmt sich viel Zeit, über Stunden schrubbt er zwei Drahtbürsten aneinander und präsentiert neben der filmischen Dokumentation der aufreibenden Prozedur die beiden abgewetzten Ergebnisse der Aktion wie Beweisstücke in der Vitrine. Wieder einem anderen Zeitvertreib gehen die Akteure in Mark Formaneks 24-stündiger Performance nach: Tag und Nacht sieht man sie an einer riesengroßen Zeitanzeige aus Holzlatten schrauben, denn Minute für Minute müssen die Zahlen aktualisiert werden.
Streuen, schrubben, schrauben; alles braucht seine Zeit. Auch die Kunstbetrachtung. Aber wieviel? Malte Bartsch liefert den passenden Apparat zur Frage. »Time Machine« heißt der unscheinbare graue Kasten an der Wand. Wenn man den Knopf drückt, setzt er sich in Gang, sobald man loslässt, kommt die Quittung aus dem Schlitz. Der Streifen Papier sieht einem Kassenbon täuschend ähnlich, doch werden statt der Preise die Sekunden addiert. Anstelle des Danks für den Einkauf steht am Ende »Thanks for your visit«.
MUSEUM GOCH
BIS 10. JUNI 2018
TEL.: 02823 / 970818
KUNSTVEREIN BOCHUM
BIS 17. JUNI 2018
TEL.: 0234 / 9103953