Das violette Samtensemble aus Jackett und Weste mit der Satineinfassung existierte so, wie Sebastian Koch es trägt. Der Darsteller des Lord Goring kombiniert das Kleidungsstück mit grünen Handschuhen. Der wahre Oscar Wilde war da sublimer. Statt eines weißen Stehkragenhemdes, das die Komödienfigur im Schauspielhaus Bochum darunter vorzeigt, schuf deren Autor einen gewagteren Reiz, indem Wilde gelbe Chemise mit grünem Krawattentuch zu einem trefflichen Dreifarbklang mischte. Vielleicht nicht der Rede wert, aber über was lohnte es sich denn zu reden, wenn nicht über Mode, würde der Ästhet jetzt antworten. Und überhaupt. »Die Phantasie richtet sich auf die Weste. Westen verraten, ob ein Mann Poesie bewundern kann oder nicht.«, so der göttliche Oscar, dessen Zuviel an Geschmack ihm zum Verhängnis geriet. Auf derlei Details achtet der Gentleman, wenn er ins Theater geht und die Zeit dabei nicht recht vergehen will. Es müssen etliche Westen-Liebhaber im Parkett gesessen haben, denn sie schienen amüsiert und wollten Poesie bewundern, um die sich hier »Ein idealer Gatte« angestrengt ausdauernd bemühte.
Typische Handbewegung für die Inszenierung der Konversationskomödie um doppelte Betrügerei wäre das mit verlangsamter Geste zelebrierte Auf- und Zuschieben jener Tür in einer stählernen Wand, die ein maliziöser Butler öffnet und schließt. Für die Auftritte und das Arrangement exquisiter Posen in einem abstrakt konstruierten Stelen-Feld (Bühne Heike van Bentum/Armin Holz). Es breitet sich der Mehltau von Manierismus aus. Regisseur Holz, von seiner Wirkungsabsicht überwältigt, sperrt die victorianischen Paradiesvögel wie in eine Volière und treibt dem Stück das Spielerische aus. Kunst wird es dadurch nicht. Die drei Stunden – ein einziges Fracksäuseln. Sie setzen Fett an, wo doch Wildes Aphorismen, Maximen, Pointen und Paradoxien stets schlank und geklärt wirken. Die von zuviel Politur matte Aufführung, der nicht einmal daran liegt, eine »libertinage sérieux« (Baudelaire), also den Aufruhr unter der Oberfläche zu entdecken, begnügt sich mit dekorativer Darbietung, sogar ohne den einmal gewählten Stil konsequent beizubehalten. Sie ist nicht kühn genug, um dandyhaft zu sein, sondern nur snobistisch.So gilt das Wort Sir Chilterns, dass die Götter kaum Schlimmeres anrichten können, als jemandes Gebete zu erhören. Armin Holz hätte sich keinen Oscar Wilde wünschen sollen. AWI