Begriffe und Teppiche sind auch nur Menschen. Und so widerfährt ihnen, was aller Welt widerfährt: Man fängt hoch an und kommt von da an immer weiter runter. Am Ende wird jeder zum Philister, wie Gottfried Keller mal schrieb. Diese Karriere ist weder Großbegriffen wie dem des Absurden noch kleinen Bodenbelägen wie dem Flokati erspart geblieben, jedoch einer Bochumer Inszenierung ist es nun gelungen, die schlabbrige Sitzunterlage mit dem heroischen Gefühl des Geworfenseins in eine sinnlose Welt zusammengebracht zu haben.
Und zwar in »Die kahle Sängerin«, Eugène Ionescos erstem Stück von 1950, in dem der Dramatiker beweisen wollte, dass die Sprache eine Schere ist, die mit jedem Satz das Verstehen und den Zusammenhang weiter zerschneidet. Da sitzt ein Ehepaar Smith in seinem Wohnzimmer und sagt einander hochbanale Phrasen und inhaltsleere Gemeinplätze auf (die hatte Ionesco in einem Englischlehrbuch gefunden).
Es kommen Mr. und Mrs. Martin hinzu, die im Laufe ihrer ähnlich konstruierten Konversation herausfinden, dass sie miteinander verheiratet sind. Ein Feuerwehrmann tritt auf, sucht nach Brennendem, witzelt flach und tritt wieder ab. Dann fängt das Stück von vorne an. »Die kahle Sängerin« war ein ernst gemeinter Angriff auf das moralische Theater und das Comme il faut des bürgerlichen Anstands jener Zeit; das Alltägliche in seinem vollen Grauen zu demaskieren ist aber heute schon allein deshalb nicht mehr möglich, weil dieses Entlarvungsgeschäft sowie absurde Situationen zu kreieren zum Hauptvergnügen der Unterhaltungsmaschine geworden ist.
Hier kommt der Flokati ins Spiel. Beliebt in den 70ern als Schutzinselchen im Meer der metaphysischen Ortlosigkeit, ist er längst zum Zottelobjekt der Spießerverpottung geworden. Das Absurde ist nicht zu retten, der Flokati aber doch: Auf der Bochumer Bühne schwillt er zum Kuschelkontinent an. Er hängt im Bühnenportal wie ein Theatervorhang und buchtet sich in Rampenhöhe zu einem Raum, in dem sich die Akteure nach und nach aus verhängten Möbeln winden. Um sich am Ende, ein Flokati, der die ganze Welt geworden ist, herunterzusenken und den Raum zu zerquetschen. Die Zeit dazwischen hat Regisseur Jan Bosse mit dem gefüllt, was auch die entsprechenden Fernsehshows unter absurd verstehen: grelle Albernheiten. Sein Bühnenbilder Stéphane Laimé aber weiß, dass es das Absurde noch gibt: Es lauert zwischen den langen weißen Fusseln eines Teppichs. UDE