Es sammelt sich was an bei Schriftstellers – in Schubladen, Regalen und Kartons. Wahrscheinlich sind sogar noch im Ärmel Bücher versteckt. Die Frage »Wo soll das alles mal hin?« beschäftigte Heinrich Böll lange vor seinem Tod 1985. Die heimische Germanistik indes betrachtete den guten Menschen von Köln und sein Werk stets etwas abschätzig und zeigte kein Interesse. So kam es, dass Böll einen Teil seines Archivs der Universität Boston zur Forschung überließ. Als er 1972 den Nobelpreis bekam, wurde das Exil der Manuskripte publik und als peinlich empfunden. 1979 holte Köln die Bostoner Bestände heim ins neu gegründete Heinrich Böll- Archiv der Stadt.
Klingt einfach, ist es aber nicht. Aus dem Vertrag von 1979 ist ein kölsch-böllscher Klüngel entstanden, in dem selbst die Beteiligten den Überblick verlieren: Die Erben haben jetzt Dokumente aus jenem Teil des Nachlasses versteigern lassen, der in ihrer Obhut geblieben ist. Die Stadt vertritt jedoch die Auffassung, dass auch diese Dokumente ihr und in ihr Böll-Archiv gehörten. Den Vertrag, kommentiert das Kulturdezernat schmallippig, sehe die Stadt »zurzeit als nicht erfüllt« an. Heinrich Bölls Sohn René dagegen kündigte im WDR-Fernsehen weitere Verkäufe aus dem Nachlass an, wenn Köln der Erbengemeinschaft nicht wieder, wie bis 1999, fürs Nachlasshüten monatlich 7000 Euro zahlen wolle.
Über das weitere Vorgehen werde beraten, mauert die Stadt. Sie sollte lieber roden. Denn das Dickicht aus Zuständigkeiten, öffentlichen Zuschüssen und familiären Interessen ist mehr als verworren: Das Böll-Material lagert großenteils im Kölner historischen Archiv.
Das Böll-Archiv dagegen gehört zur Stadtbibliothek, ist aber auch dort nicht zu Hause, sondern in einem städtischen Schulgebäude.
Als Leiter dieses Archivs fungiert, so hat Heinrich Böll es bestimmt, sein Neffe Viktor. Der pflegt beste Beziehungen zur Erbengemeinschaft Böll, die seit dem Tod von Bölls Frau Annemarie aus den Söhnen René und Vincent besteht.
Im selben Haus wie das städtische Böll-Archiv residiert eine Anlaufstelle des »Heinrich-Böll-Hauses« in Langenbroich/Eifel.
Die ehemalige Sommerresidenz der Familie wurde 1989 umgebaut – Architekt: Vincent Böll – und dient ausländischen Schriftstellern als Arbeitsdomizil. Auch in den Betrieb dieses Hauses und in die Stipendien fließen öffentliche Gelder; das Haus zählt aber zur »Grünen«-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, die von den Böll-Erben mitbegründet wurde und nach wie vor mit ihnen und dem Böll- Archiv »zusammenarbeitet« … Man nennt das wohl: Netzwerk.
Der Böll-Forschung sei dies keineswegs zuträglich, meint ein leidgeprüfter Experte. Doch wer sich mit den Vettern auseinandersetzen wolle, müsse sich warm anziehen. Heinrich Böll – hier im Dezember 1970 beim Mantelüberstreifen in seiner Kölner Wohnung – muss es geahnt haben.