// Da steht sie ganz allein und macht die Welle. Nimmt das Glas Wasser, das sie in der Hand hält, schüttet es sich ins Gesicht, und schon platscht und schwappt die Woge, die Schauspielerin japst, paddelt, schnappt nach Luft, taucht unter und wieder auf. Mit dieser ganz einfachen Seenot-Pantomime beginnt David Bösch seine Inszenierung von »Was ihr wollt« – Sarah Viktoria Frick wird an Land, an die Rampe der zerschlissenen Bühne, in das Stück, das eine Komödie zu sein behauptet, und in ihr Spiel als Viola gespült. Bald schon muss sie Violo sein, sprich: Cesario, in dessen Maske sie die traurige Gräfin Olivia verliebt macht, dabei aber deren Verehrer Orsino begehrt, den es irritiert, dass er sich zu einem zarten Jungmann hingezogen fühlt, von dem er nicht weiß, dass er eine Frau ist, während Violas Zwillingsbruder Sebastian seinerseits – und wie spiegelverkehrt – seinem Retter Antonio Herzweh bereitet und doch nicht anders kann, als ihn leiden machen.
So steht’s um die Liebe. Das kann kein gutes Ende nehmen. Nach knapp drei Stunden im Grillo-Theater sind zwar, nachdem das eineiige Geschwisterpaar kräftig eins abgekriegt hat und die Geliebten die Opfer der rasenden Liebenden wurden, vier Paare irgendwie beieinander, geschlechtlich mal richtig, mal falsch herum cheek to cheek vereint. Nur Narr und Malvolio bleiben solo – der eine aus Instinkt und Notwendigkeit, der andere aus fluchenswert metaphysischer Ungerechtigkeit. Aber der Narr zeigt uns die schwarze Nase (die rote hat er jetzt abgelegt): Glück sieht anders aus als bei dem Ensemble, das verzweifelt Whitney Houstons Songsirene »I will always love you« anstimmt. Da klingt Horváths »Du wirst meiner Liebe nicht entgehen« mit, auch wenn solch ein Zitat nicht in David Böschs Referenzrahmen passt.
Man kann also mit Popkultur Theater machen, das die Sache trifft: die maladie d’amour. Die Identitätskrise fast schon Kleist’schen Ausmaßes (die der Regisseur am selben Ort beim »Käthchen« läppisch verjuxt hatte), hier ist sie spürbar: zumindest im Kern, und das meint: im Spiel von Frick. Wie ihre Viola ständig damit zu tun hat, die Posen des angenommenen Geschlechts zu demonstrieren und in der nämlichen Bewegung zu demontieren, wie sie ihre Gewichte umverteilt, sich im Protzen und Strotzen übt, an einem Dosengetränk nuckelt, in ihren Männershorts am Hosenschlitz den Zipfel zurecht rückt und sich in die Rolle hineinstemmt, wie sie das störrisch und verlegen Koboldhafte ihres Pfadfinder-Charmes zum androgynen between auf einer reell gezogenen Borderline balanciert, ist ebenso handwerklich virtuos wie Shakespeares Existenz-Erosion adäquat.
Die zweite starke Position der Inszenierung behauptet der gefoppte Malvolio in seinem Elend, von Roland Riebeling bewundernswert selbstverleugnend als hässlich spießiger Heinz-Erhard-Eierkopf verkörpert, der in seinem korrekten Wesen den sich selbst blutig beißenden, überschnappenden Übermenschen findet, bevor er zum Bild des Jammers wird.
Der Rest ist und bleibt der übliche Bösch-Trash: überstrapazierte Improvisationen, penetrante Auftritte von Rülp/Bleichenwang als Prolo-Punks von der Tottenham Court Road, das Abnudeln der Hitparade, die belanglosen Porträts von Gräfin und Herzog, das ausgestellte Wir-sind-doch-alle-irgendwie-Rock’n’Roll und die »Hallo, wir sind lustig!«-Kampagnen. Aber hinter dem Stilmix-Müll ist die Versehrtheit und Verstörung durch die Sicherheit erschütternde Liebes-Konfusion nicht kaputt zu kriegen. // AWI