TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Dunkelbraune Türen mit Holzlamellen. Orangefarbene Arbeitsflächen. Teile von Schranktüren in grob-altdeutscher Optik, wenn auch ohne Butzenscheiben. Die »Ehrenfelder Küche« war selbst für die Besucher der Kölner »Passagen 2011« etwas gewöhnungsbedürftig. Ein wilder Remix aus Jahrzehnten verdrängter Küchenzeilenhistorie, eine Stil-Geschichte jenes Designs, das sich angeblich immer nur die Anderen in ihre vier Wände stellen. Die voll funktionsfähige »Ehrenfelder Küche« hat der Möbeldesigner Sven Stornebel mit seinem Recycling-Design-Kollegen Oliver Schübbe entworfen und aus Sperrgut-Fundstücken zusammengebaut.
Die Sperrmüllhaufen und Recyclinghöfe des Landes sind auch nach den »Passagen« eine niemals versiegende Materialquelle für den Designer. Stornebel zersägt die auf die Straße gesetzten Einrichtungsgegenstände in schmale Streifen unterschiedlichster Maserung und Färbung, um sie dann zu einem neuen Werkstoff aneinanderzukleben. Daraus fertigt er neue Möbel wie die Serie »other side«, deren Tisch und Hocker materialbedingt zu Unikaten werden – durch die Kombination der verbauten Holzarten.
Sven Stornebel wuchs in der DDR auf und kam früh mit Holz in Kontakt, da er in der Werkstatt seines Großvaters, der erzgebirgische Nussknacker und Räuchermännchen herstellte, mithalf. Später machte er eine Ausbildung zum Tischler, nach der Weiterbildung zum Holztechniker und Form- und Raumgestalter folgte ein Studium an der Fachhochschule für Angewandte Kunst in Schneeberg (Westsächsische Hochschule Zwickau). Danach arbeitete Stornebel als Designer und Projektleiter für internationale Marken wie Puma, Tamaris oder Bugatti. Nachdem er sich mit Oliver Schübbe eine Werkstatt in Herford geteilt hatte, arbeitet er nun selbstständig in einer Atelierwerkstatt in der »Alten Lederfabrik« im westfälischen Halle.
Die charakteristisch geschichtete Anmutung des zusammengefügten neuen Werkstoffs zieht sich durch Stornebels Entwürfe. Wie bei seinem »farbkasten« – einer Truhe, bei der er einen Fehler kurzerhand zum Gestaltungsprinzip gemacht hat. Beim Zusammenkleben der einzelnen Holzstreifen quillt bei zuviel Druck der Kleber heraus und bildet unschöne Tropfen. Stornebel nutzte das Problem auf seine eigene Weise. Er entwickelte farbige Klebstoffe und erklärte die bei der Herstellung nun bewusst produzierten Farbnasen zum schmückenden Ornament, die jede Truhe zu einem einzigartigen Objekt machen. »Da wär’ ich am Computer nie drauf gekommen«, sagt Stornebel, der den handwerklichen Umgang mit Holz und anderen Materialien jeder Büroarbeit vorzieht. Ohne farbigen Klebstoff, aber in derselben Bauart, hat er, wiederum mit dem Kollegen Schübbe und dessen »OS2-Designgroup«, die Ausstattung der Ausstellung »5. Recycling Designpreis 2012« im MARTa Herford entwickelt – diesmal wurde dicke Altpappe zu Podesten und Hockern verbaut.
Sven Stornebel entwirft aber nicht ausschließlich Recycling-Design. Das beweist »play with me« – ein Sofa, das vom Polstermöbelspezialisten »Frommholz« hergestellt wird und dessen farbige Stoffelemente sich mittels Reißverschluss flexibel zu unterschiedlich breiten Sofas oder Sesseln zusammenfügen lassen.