Text: Stefan Laurin
Ohne Ada Lovelace sähe die Welt heute vielleicht anders aus. Große Teile der Computertechnologie beruhen auf dem Denken dieser Frau, die als Augusta Ada Byron King 1815 in London geboren wurde – als Tochter des romantischen Dichters und Freiheitskämpfers Lord Byron. Ada Lovelace war Mathematikerin und Technikerin und ihrer Zeit um ein Jahrhundert voraus. Sie schuf das erste Computerprogramm, als es noch gar keine Computer gab. Ihr mathematisches Talent wurde von der Mutter gefördert, sie hatte Zugang zu Salons, in denen Naturwissenschaftler wie Charles Babbage und der Revolutionär auf anderem Gebiet, Charles Darwin, verkehrten.
Die Maschine, für die sie das Programm erstellte, war die legendäre und nie gebaute Analytical Engine von Babbage: eine Rechenmaschine, so komplex, dass sie damals zwar erdacht, aber mechanisch schlicht nicht herzustellen war. So genial ihr Erfinder Babbage´auch war, Lovelace übertraf ihn. Sie erkannte das universelle Potenzial solcher Maschinen. Mit ihnen, das war Lovelace klar, ließ sich weit mehr machen als rechnen. Man konnte sie für jede Art von Programm nutzen.
Noch in den 1990er Jahren waren Bücher wie »The Mac is not a Typewriter« Verkaufserfolge. Ada Lovelace wusste das schon, bevor es richtige Schreibmaschinen, geschweige denn Apple gab. Als Eingabemedium entschied sich Lovelace für Lochkarten, mit denen damals bereits Webstühle gesteuert und die bis in die späten Jahre des vergangenen Jahrhunderts als Datenträger verwendet wurden.
Das Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) in Paderborn setzt Miss Lovelace und anderen Pionierinnen der Computertechnologie ein Denkmal. Dass Lovelace singulär war und Frauen es bis in die Gegenwart schwer haben in der Computer-Industrie, ist auch Thema der Schau. Zwischen den Räumen, die sich den Pionierinnen widmen, werden die Geschichte der Frauenbewegung und das jeweils vorherrschende Frauenbild in der männlich geprägten Gesellschaft dargestellt. So warb Apple in den 1980er Jahren mit dem Motiv eines zu Hause an seinem Apple II arbeitenden Mannes. Im Hintergrund steht seine Frau. Sie schneidet Tomaten und wirft dem Beherrscher der Teufelsmaschine einen bewundernden Blick zu.
Doch schon als Steve Jobs und Steve Wozniak in der heimischen Garage in Cupertino den ersten Apple-Computer verschraubten, hatten Frauen die Computerentwicklung geprägt. Nicht nur als Rechenhelferinnen während des Zweiten Weltkriegs in der Rüstungsproduktion und Spionageabwehr, sondern auch bei der Entwicklung von Software. Grace Hopper ertüftelte den Compiler, ein Programm, das Programmiersprachen in den binären Code aus I und 0 übersetzt und nebenbei Programmierfehler erkennt. Ohne Compiler wären heutige komplexe Programme undenkbar, deren Codes viele tausend Seiten Umfang haben.
Mary Allen Wilkens kann als erste Nutzerin eines Heimcomputers gelten. Sie programmierte in ihrem Haus an einem LINC. Der Computer hatte die Größe eines Eisschranks. Adele Goldberg war an der Konstruktion der ersten grafischen Benutzeroberflächen beteiligt, ohne die Computer für ein Massenpublikum nicht interessant geworden wären. Goldberg arbeitete im Xerox Parc, dem Labor, aus dem Apple und Microsoft viele Ideen schlichtweg klauten. Mit Limor Fried, einem der Stars der Open-Hardware-Szene, reicht die Ausstellung bis in die Gegenwart.
Trotzdem fehlen viele Namen, auch weil das HNF den Begriff der Computertechnik sehr eng fasst. Die Schauspielerin Hedy Lamarr entwickelte während des Zweiten Weltkriegs eine Frequenzsteuerung für Torpedos, ohne die weder Bluetooth-Schnittstellen noch moderne Handys funktionieren würden. Für Lamarrs Erfindung interessierte sich niemand, weil sie eine Frau war, erst lange nach 1945 wurde ihre Leistung gewürdigt. Sie ist die Einzige, die sowohl mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame und mit dem Pioneer Award der Electronic Frontier Foundation (EFF) geehrt wurde.
Managerinnen wie Sheryl Sandberg hatten mit ihrem Beitrag zur Formung von Unternehmen wie Facebook entscheidenden Anteil daran, dass sich soziale Medien etablieren konnten. Die Soziologin Sherry Turkle hat unser Verhältnis zu Computern analysiert und in Büchern wie »Die Wunschmaschine« beschrieben. Etwas mehr vom hochfliegenden Geist der Ada Lovelace hätte freilich der Ausstellung gut getan, die nicht mehr als einen Einstieg bietet.
»Am Anfang war Ada. Frauen in der Computergeschichte.« Heinz Nixorf MuseumsForum, Paderborn bis 10. Juli 2016, www.hnf.de