Das Museum Haus Opherdicke präsentiert einen thematischen Parcours, der Werke der 1920er und 1930er Jahre zeitgenössischer Dokumentarfotografie gegenüberstellt.
»O Ihr Menschen. Ihr Menschen lernet doch von Wiesen Blümelein. Wie ihr könnt Gott gefallen und gleichwohl schöne sein«: Die titelgebenden Zeilen aus einem Gedichtfragment von Alfred Bauer Saar markieren den poetischen Ausgangspunkt einer Ausstellung in Haus Opherdicke. Was aber folgt, ist kein nostalgischer Blick zurück, sondern eine Befragung des Menschenbildes in der Klassischen Moderne und in der Gegenwart. Hierfür hat die Kuratorin Sally Müller Werke des frühen 20. Jahrhunderts (vor allem Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotos) aktuellen Positionen gegenübergestellt – Fotos des Dortmunder index.kollektiv.
Typisch für die Kunst der Neuen Sachlichkeit war eine präzise, ja kühle und nüchterne Bildsprache. Ihr begegnet man in der Ausstellung beispielsweise im 1913 entstandenen »Frauenkopf« von Reinhold Rudolf Junghans, in József Batós »Badesee mit Figurengruppe« (1921), Alice Sommers Gruppenporträt »Drei Kinder« (1923), Oskar Kurt Döbrichs Zeichnung »Überm See« (1931) oder Ernst Bahns »Kakteen«-Stillleben. Allesamt Exponate, die aus renommierten Sammlungen stammen, Leihgaben der Galerie Julian Sander oder des Deutschen Tanzarchivs Köln sind.

Auf die historische Vorlage reagieren die index.kollektiv-Fotograf*innen mit Arbeiten, deren dokumentarischer Blick das Spannungsfeld zwischen individueller Erfahrung und gesellschaftlicher Wirklichkeit aufgreift. Carmen Körner etwa setzt in ihrer jüngsten Serie »Suze Tonic« die akkurate Bestandsaufnahme der Neuen Sachlichkeit in die heutige Lebenswelt um: Beobachtung, Distanz, aber auch eine Form der Empathie werden hier sichtbar, ohne in Pathos zu verfallen. Catharina Cerny nimmt in einer Reportage zum Braunkohlestreit um Lützerath politisches Engagement auf, während Oxana Guryanova mit der Fotostudie einer Pflanze am Fenster erneut Sachlichkeit und Intimität verbindet.
Auch Cynthia Ruf sucht mit Porträts von Flüchtlingsfrauen und Alltagsstudien nach der Balance zwischen Offenlegung und Zurückhaltung. Der fotografische Ansatz des Kollektivs bleibt damit eng an den Traditionen der Neuen Sachlichkeit orientiert, öffnet aber gleichzeitig neue Räume in einer Zeit, die von Umbrüchen geprägt ist.
»O IHR MENSCHEN – NEUSACHLICHER BLICK IN FOTOGRAFIE, DRUCK
UND ZEICHNUNG«, MUSEUM HAUS OPHERDICKE, HOLZWICKEDE,
BIS 8. FEBRUAR 2026