»Hellwach« zeigt in Hamm, Lünen und Bergkamen Stücke aus Afrika, Ägypten und Mexiko. Das seit 2002 bestehende Festival richtet sich vor allem an ein junges Publikum.
Aus einer Blechdose holt die Performerin eine Holzpuppe heraus. Später balanciert diese Puppe über einen schmalen Rahmen, an dem weitere Blechdosen hängen. Mit einfachen Mitteln erschafft die Künstlerin Mamby Mawine berührend poetische Bilder. Die Wirkung ist noch größer, wenn man den Hintergrund kennt. Sie hat ein halbes Jahr Straßenkinder im Senegal begleitet, Kinder, die fürs Überleben betteln. Die Holzpuppen sind Stellvertreter dieser jungen Leute, die Kraft und Lebenswillen haben und doch oft wie Geister wahrgenommen werden.
»Petit Bous de Bois/Kleines Stück Holz« ist eins der Stücke, die bei der elften Ausgabe des »Hellwach«-Festivals in Hamm und Umgebung zu sehen sind. Wenn Michael Lurse, einer der beiden künstlerischen Leiter, von der Compagnie Djamara und der Künstlerin Mamby Mawine erzählt, gerät er ins Schwärmen. »Von dem Geld, das sie mit ihren Tourneen einnimmt«, berichtet Lurse, »baut sie ein ganzes Dorf.« Es geht hier nicht nur darum, Aufführungen zu spielen und Erfolg zu haben. Dieses Theater will die Welt verändern, wenigstens einen kleinen Teil.
»Es muss um was gehen«
»Es muss um was gehen.« So formuliert Michael Lurse das wichtigste Kriterium der Auswahl. Und er will der kulturpolitischen Tendenz, internationale Zusammenarbeit weniger zu fördern, entgegentreten. Die Goethe-Institute haben das Festival mangels Geld nicht mehr finanziell unterstützen können. Der Förderverein des Helios Theaters konnte die Verluste diesmal ausgleichen. »Wir haben so viele Gruppen wie möglich von außerhalb Europas eingeladen«, sagt der Theatermacher. »Ich finde es ein schlimmes Signal, wenn Europa sich immer mehr abkoppelt.« In diesem Jahr sind drei afrikanische Theater dabei, eins aus Mexiko und eine Aufführung aus Ägypten.
Das Helios Theater, das Lurse zusammen mit Barbara Kölling leitet, ist seit Jahrzehnten international vernetzt. Dabei geht es nicht nur darum, sich gegenseitig zu Festivals und Gastspielen einzuladen. Sondern um intensive Arbeitsbeziehungen, echten Austausch. Ein gutes Beispiel ist das Eröffnungsstück »Talking about Silence/Über das Schweigen sprechen«, eine Koproduktion des Helios Theaters mit dem Ishyo Arts Center aus Ruanda. Sechs Menschen erzählen, worüber in ihren Familien und Freundeskreisen geschwiegen wird. Und wie man ein ungesundes Schweigen durchbrechen kann.
Theater für die Kleinsten kann sehr anspruchsvoll sein. »Yo Soy/Ich bin« heißt eine Aufführung des Theaters Vacio aus Mexiko und Argentinien, das häufig beim Hellwach-Festival dabei ist. Diesmal spielen zwei schwule Tänzer ein Stück über Geschlechteridentitäten für Kinder ab 3 Jahren. Ist das zu früh, um sich damit zu beschäftigen? »Im Gegenteil«, sagt Michael Lurse, »Genau dann werden die Rollenbilder geprägt.« Es geht um Offenheit für alle, um Akzeptanz.
Auch aus der Ukraine ist wieder eine Aufführung dabei. In »Waldlied« sitzt das Publikum mit verbundenen Augen auf der Bühne, Studierende der Theateruniversität Kiew bewegen sich um einen herum und erschaffen eine klingende und bebende Welt. »Es ist unglaublich«, sagt Michael Lurse, »was für ein reiches Kulturleben gerade in der Ukraine stattfindet, auch wenn draußen scharf geschossen wird.« Eine Woche lang holt das »Hellwach«-Festival Perspektiven auf die Welt nach Hamm, Lünen und Bergkamen, Stücke, die nicht nur ein junges Publikum begeistern werden.
»Hellwach. 11. internationales Theaterfestival für junges Publikum in der
Region Hellweg«
17. bis 25. Mai