Architektur-Fans machen sich einen roten Kringel im Kalender um das letzte Wochenende im Juni. Am 28. und 29. gibt es bundesweit wieder etliche Projekte zu entdecken. Über 150 sind es allein in NRW. Wo lohnt sich ein Besuch? Stefanie Stadel hat eine kleine Auswahl zusammengestellt.
In der »Schwamm«-Stadt von morgen
Baumquartiere in Bochum-Goldhamme
Bäume in der Stadt haben es nicht leicht – noch dazu in regenarmen Zeiten. Dabei werden die kühlenden Klimaschützer immer wichtiger. Und so haben sich die Landschaftsarchitekten Danielzik Leuchter + Partner bei ihrem Stadtumbauprojekt in Bochum-Goldhamme einiges einfallen lassen zum Wohle der wertvollen Stadtgewächse. Sieben Wohnstraßen in diesem zentrumsnahen Quartier wurden neu strukturiert und saniert, dazu kleine Platzflächen gestaltet. Für die neue Bepflanzung haben sie 15 besonders zukunftsfähige Baumarten ausgewählt und Baumquartiere angelegt. Der Kern des Konzepts liegt unter der Erde: sogenannte Baumrigolen, die bereits an elf Stellen angelegt werden konnten. Der Grund unter den Bäumen besteht hier aus besonders durchlässigem Substrat. Wie in einem Schwamm kann so in den jeweils zwölf Kubikmeter großen Pflanzgruben Wasser aufgenommen werden, von dem die Bäume in Trockenphasen zehren können. So bietet sich in Bochum-Goldhamme ein eindrucksvoller Einblick in die »Technik« der »Schwamm«-Stadt von morgen.
Bochum-Goldhamme, Führung: 28. Juni, 14 Uhr,
ab dem Quartiersplatz Normannenstrasse/Ecke Eugenstrasse

Zeitreise in der Gastiefkühlanlage
Neue Gastronomie auf Kokerei Hansa in Dortmund
Alte Türme wachsen in den Himmel. Überall riesige Maschinen, die von alten Zeiten erzählen. Vor rund 100 Jahren errichtet, zählte die Kokerei Hansa in Dortmund-Huckrade zu den größten Anlagen ihrer Art im Ruhrgebiet. Seit der Stilllegung 1992 erobert die Natur das Areal zurück, und immer mehr Touristen kommen, um das Industriedenkmal zu erkunden. Neuerdings haben sie dort eine weitere Anlaufstelle: Eine spektakuläre Gastronomie ist in die von Böll Architekten umgebaute einstige Gastiefkühlanlage eingezogen. Um die Ausstattung haben sich kkd-innen-architekten aus Berlin gekümmert: Exquisit gibt sich das Restaurant »SchwarzGold« – im düsteren Raum sitzt man hier an mit goldenem Leder bezogenen Tischen, die wirkungsvoll angestrahlt werden. Ganz anders die Stimmung im oberen Geschoss, wo sich das Bistro »ButterRaum« in der weiten Industriehalle mit großen Fenstern ausbreiten kann. Platz ist hier auch für die mächtige Kranbahn, ein Relikt aus Kokerei-Tagen. Zudem für drei Bäume, die das Motiv des wilden Grüns in den Innenraum holen. Die Idee der Zeitreise durch die Geschichte des Industriedenkmals wird bis in die Toiletten fortgeführt mit Leuchtwänden, auf denen sich alte und aktuelle Bilder der Kokerei zur Collage vereint finden.
Dortmund-Huckarde, Kokerei Hansa, Besichtigung: 28. und 29. Juni, 10 bis 18 Uhr,
Führung: 28. Juni, 11 Uhr, ab der ehemaligen Gastiefkühlanlage

Element als Inspiration
Das H2O-Laborgebäude für Wasseranalytik in Gelsenkirchen
Zwei Wasserstoffatome verbinden sich mit einem Sauerstoffatom. An diesen Aufbau eines Wassermoleküls werden wohl die wenigsten denken, wenn sie das neue nur wenige hundert Meter von der Arena auf Schalke entfernt liegende Labor-Gebäude der Gelsenwasser AG betrachten. Doch tatsächlich haben sich die Architekt*innen Daniela Bauer und Carsten Heisterkamp von dieser Verbindung inspirieren lassen: Drei kreisförmige Baukörper bilden den schwungvollen Grundriss ihres H2O-Gebäudes, in dessen Büros und Laboren rund 70 Menschen arbeiten. Das Thema Wasser wird ebenso in der transparenten und fließenden Fassadengestaltung aufgegriffen. Dabei hat man auch an Nachhaltigkeit gedacht: Immerhin besteht sie aus 40 Prozent recycelten Materialien. Für die Böden im Inneren wurden nur natürliche und komplett recycelte Rohstoffe verwendet, das Dach ist großflächig begrünt. Doch das Beste bleibt verborgen: Ein unterirdischer Eisspeicher mit einem Volumen von 300 Kubikmetern sorgt dafür, dass sich das Gebäude autark mit Wärme und Kälte versorgen kann.
Gelsenkirchen, Besichtigung: 29. Juni, 12 bis 17 Uhr,
nur mit Führung zur vollen Stunde ab dem Haupteingang

Schlafen auf Stelzen
1Step2AllStars Baumhaus in Wuppertal
Nicht nur auf der Liste zum Tag der Architektur ist es zu finden, auch diverse Online-Portale für Ferienunterkünfte führen das schicke Stelzenhaus. Dabei haben die Gastgeber*innen ihre Spitzen-Bewertung sicher nicht allein der Lage oder Sauberkeit zu verdanken. Vielmehr schlagen die außergewöhnliche Architektur und Innenraumgestaltung von Ingo Hanel zu Buche: Das Tiny-House ist in eine schwarze Aluminium-Fassade gekleidet, die mit insgesamt um die 700 Meter langen, leicht goldenen Aluminiumbändern umwickelt ist. Der Gast muss 50 Stufen erklimmen und findet drinnen auf kompakten 21 Quadratmetern ein Schlafzimmer mit Doppelbett, eine Teeküche, einen Sitzbereich, eine Hochebene mit Ruhezone sowie ein Bad mit Dusche und WC. Naturbelassenes Fichtenholz sorgt für Gemütlichkeit. Und es beeindruckt der Weitblick durch die komplett durchfensterte Front. Selbst vom Bett aus kann man über den Wald und Wuppertal schauen.
Wuppertal-Elberfeld, Hatzenbecker Straße 112, Besichtigung: 28. Juni, 11 bis 16 Uhr

Doppelhaushälfte mit Glockenturm
Umnutzung einer Kirche in Geseke
Es war einmal eine Kirche. Doch davon werden immer weniger gebraucht. Abreißen ist eine Möglichkeit, Umnutzen die andere. In Geseke hat das Büro Ballhorn Lempke Architekten die 1933 errichtete Martin Luther Kirche kürzlich sorgfältig restauriert und in ein Doppelhaus verwandelt. Das Besondere: Zentrale sakrale Elemente blieben erhalten, was nicht zuletzt Ressourcen schont. Die alte Kirchturmspitze, Buntglasfenster und die originale Bronzetür belegen noch dazu die Geschichte und bewahren den Charakter des Gebäudes, das sich nun in zwei separate Wohneinheiten mit jeweils eigenem Garten gliedert. Auch im Inneren ist das Sakrale überall erkennbar und mischt sich mit wohnlichen Zugaben. So wurde etwa eine zusätzliche Ebene eingezogen, die als Schlafbereich dient, während die offenen Bereiche als großzügige Wohn- und Esszimmer genutzt werden. Photovoltaik und Luftwärmepumpe sichern die umweltfreundliche Versorgung.
Geseke, Auf dem Stifte 9a und 9b, Besichtigung: 29. Juni, 12 bis 14 Uhr
Tag der Architektur
28. und 29. Juni